Ohmishima

16. – 22. April 2019

Um festzustellen, ob das Schwert echt ist, das Andreas in Nagasaki beim Trödelhändler gekauft hatte, mussten wir unbedingt einen Stopp in Ohmishima einlegen. Denn da befindet sich ein Museum, das eine der umfangreichsten Sammlungen Japans mit Rüstungen und Schwertern der Samurai ausstellt.

Zuerst aber ist das leibliche Wohl dran: der große Onsen der Insel wird von heißen Quellen gespeist und hat eine Vielzahl an heißen Becken mit oder ohne sprudelndem Wasser. In der kleinen Straße unweit des Hafens finden wir noch ein Lokal, das abends auf hat und wo wir ausnahmsweise mal nicht typisch japanisch essen und anschließend probieren wir zwei Häuser weiter die Biere der kleinen örtlichen Brauerei aus. In beiden Lokalen sind wir die einzigen Gäste, abends ist hier nicht mehr viel los.

Dafür tagsüber umso mehr, wie wir feststellen: Ohmishima ist 2006 mit dem Festland und den umliegenden Inseln durch Brücken und einer Schnellstraße verbunden worden, vorher konnte man die Insel nur mit der Fähre erreichen. Eine schöne Fahrradstrecke wurde ausgebaut, die über alle Inseln und Brücken quer über die Seto Inland See führt und sehr beliebt ist bei in- und ausländischen Touristen. Aber auch der Oyamazumi Schrein zieht Busladungen von Besuchern an. Er gilt als Ruhestätte des Gottes Oyamazumi, der als der Beschützer der Berge und des Meeres in Japan gilt, aber auch als ein Kriegsgott verehrt wird. Hier im Hof des Tempels steht ein dicker alter Baum mit einer Kordel umgeben, der rund 2.600 Jahre alt sein soll. Er ist in der Shinto-Religion ein Baum, der nicht nur über andere Bäume wacht, sondern auch Kraft und Glück beschert, wenn man es schafft, mit angehaltenem Atem drei Mal um den Baum herum zu gehen.

Zum Schrein gehört auch das Samurai-Museum und es ist in der Tat beeindruckend: so viele schöne alte Rüstungen aus Leder- und Textilflechtwerk überwiegend 17. Jahrhundert, die ältesten werden um 950 n. Chr. datiert. Dazu Schwerter und Messer in allen Größen und Formen. Leider durften wir nicht fotografieren. Mit Hilfe eines Buches und mit großem Bedauern muss die Angestellte des Museums feststellen, dass das Schwert, das Andreas vorzeigte, leider nur eine gut gemachte Kopie eines Katana aus der Edo-Periode sei.

Nach so viel Kultur und Kunst, denn das Ohmishima Art Museum besuchen wir auch noch, haben wir Hunger. Mittags ist die Auswahl groß. Gleich neben dem Kunstmuseum befindet sich ein Lokal, vor dem viele Leute warten. Wir denken inzwischen wie die Japaner: wo eine Schlange ist, muss es gut sein. Also stellen wir uns an und werden darauf hingewiesen, dass ein Buch am Eingang ausliegt, wo wir uns eintragen können. Sobald ein Tisch frei wird, kommt die resolute Wirtin raus, schaut ins Buch und ruft mit lauter Stimme die nächsten Gäste aus. Als wir dran sind, muss sie sich nicht mit unseren fremd klingenden Namen plagen, sie zeigt einfach nur auf uns, denn wir sind die einzigen Ausländer. Drinnen geht es mit der Zeichensprache weiter, bis die Schale mit viel rohem Fisch auf Reis und die Misosuppe dazu auf dem Tisch stehen.


Bonsai-Gärtnerei. Die Bäumchen werden mit Klammern in Form gebracht

Als wir danach zum Supermarkt bzw. Gemüsemarkt gehen, quer über den Parkplatz, spricht mich ein Mann an, der gerade eine Kiste voller Orangen ins seinen Pickup lädt: die besten Orangen hier in der Gegend, sagt er voller Stolz und holt drei Stück heraus, um sie mir zu schenken! Protest ist zwecklos, und wäre auch unhöflich. Und ich bin wieder mal sprachlos, über diese spontane Großzügigkeit. Von diesen Orangen wollte ich sowieso auch welche kaufen, denn die Sorte ist wirklich besonders, sie hat eine leicht bittere Note in Richtung Grapefruit, wir lieben sie!

Für den Nachmittag haben wir uns nochmal zwei Museen vorgenommen, die ein paar Buchten weiter mitten in die grüne Landschaft gebaut wurden. Eines davon ist das Tokoro Kunstmuseum, in Terrassen an den Hang gebaut. Moderne Kunst ist zu sehen, nicht viel, denn der Platz ist knapp, aber doch ein paar spannende Stücke. Die unterste Ebene ist eine offene Terrasse, mit einem großartigen Blick aufs Meer und die benachbarten Inseln. Ein paar Stühle und ein Kaffeeautomat für die müden Besucher stehen bereit.

Etwa hundert Meter weiter befindet sich ein weiteres Museum, das von Toyo Ito gebaut wurde. Der Stararchitekt hat hier ein kleines aber sehr interessantes Gebäude hingestellt, ein paar Oktaeder über- und ineinander geschachtelt. Darin ist gerade eine Ausstellung zu sehen über Projekte und Initiativen von engagierten jungen Menschen auf Ohmishima, die versuchen, den ursprünglichen typischen Charakter der Insel zu bewahren, der durch die Anbindung an die „Außenwelt“ fast schon verloren gegangen ist.

Nebenan steht noch ein Gebäude von Toyo Ito, es ist so ähnlich gebaut wie sein privates Wohnhaus und sieht von außen eher aus wie ein etwas edleres Gewächshaus. Wir dürfen in Begleitung einer kundigen Museumsführerin hinein – eine Handbibliothek mit Literatur zu Architektur und über Toyo Ito, ein paar Architekturmodelle stehen in den Regalen. Das Schönste ist auch hier der Ausblick aufs Meer.

Am Steg in Ohmishima, Miyaura

Nach einer Nacht vor Anker verlegen wir die Muktuk an den Steg von Miyaura. Fähren legen hier keine mehr an, dafür aber kann man als Segler für maximal eine Woche lang bleiben. Platz ist genug, an jeder Seite könnten mindestens fünf Muktuks liegen. Der Hafenmeister wollte von uns 5 Yen pro Tag, das sind umgerechnet 4 Cent. Dafür gab es sogar ein Quittung mit Stempel! Erst später erfuhren wir von anderen Seglern, dass sich die Liegegebühr nach dem Gewicht des Bootes richtet, also pro Tonne 1 Yen und wir hätten eigentlich 26 Yen pro Tag zahlen müssen, er hatte uns also einfach geschätzt.

So einen guten und sicheren Liegeplatz hatte die Muktuk schon lange nicht mehr. Also beschließen wir spontan, von hier aus unseren Landausflug nach Kyoto zu unternehmen.

Als wir vier Tage später wieder zurück kommen, liegt ein kleines Segelboot mit am langen Pier und wir begrüßen erfreut den Besitzer und laden ihn gleich auf ein Bier zu uns sein, denn bisher haben wir noch kaum Segler getroffen. Es ist Tana-San, ein ehemaliger Brückenbauingenieur im Ruhestand und mit seinen 72 Jahren segelt er immer noch jedes Jahr im Sommer in der Setouchi See. Obwohl wir ihn eingeladen haben, kommt er schwer bepackt mit Bier, Sake und Chips an.

Am nächsten Morgen legen auf der anderen Seite des Piers zwei dunkelgrau gestrichene Motorboote der japanischen Marine an, mit viel Trompetentrara aus dem Lautsprecher und der Mannschaft, die gerade nicht mit den Leinen zu tun hat, steht in Reih und Glied in Uniform zur Parade an Deck.

Als sie zwei Stunden später wieder ablegen, hören wir wieder Trompetenklänge und ich winke dem ersten Schiff zu, die Matrosen an Deck winken alle zurück und als ich mich auf japanische Art mit einer Verbeugung bedanke, klatschen sie auf einmal alle in die Hände. Auch dem zweiten Boot winke ich zu, aber keine Reaktion. Erst als aus dem Lautsprecher ein Offizier einen Befehl durchgibt, lüften alle Matrosen auf einmal ihre Mützen und winken damit. Nochmals ein Befehl und die Mützen sitzen wieder ordentlich auf den Köpfen. Herrlich, ich bin begeistert!

Tana-San hilft uns noch beim Ablegen, vorher aber machen wir noch ein paar Fotos zur Erinnerung.