In Vanuatu werden um die 180 verschiedene Sprachen gesprochen. Selbst von Dorf zu Dorf kann der Unterschied so groß sein, dass man einander nicht versteht, wurde uns versichert. Aus Melanesien haben sich vor etlichen tausend Jahren in mehreren Wellen wagemutige Menschen auf den Weg gemacht und die Inseln besiedelt. Sie brachten bereits unterschiedliche Sprachen mit, im Laufe der Jahrhunderte lebten die Einwohner hier recht abgeschlossen in ihren Dorf- und Stammesstrukturen, was die Entwicklung von unterschiedlichen Sprachen noch mehr befördert.
Es waren die ersten europäischen Segelboote, die sich mit einer einfachen Sprache behalfen, um mit den Einwohnern zu kommunizieren. Später, während der Kolonialisierung der Südsee holten sich die Plantagen- und Minenbesitzer Arbeitskräfte von Papua Neuguinea, den Salomonen und von den Neuen Hebriden (Vanuatu) auf die Inseln und nach Australien, weniger mit Versprechungen als mit Gewalt. Und so entwickelte sich ziemlich schnell eine einfache Verkehrssprache, ein verballhorntes Englisch mit etwas französischem Einschlag. Auch die Missionare verwendeten diese Sprache und übersetzten Bibel und Gesangbücher für die Einheimischen in „Bislama“, wie es in Vanuatu heißt, oder „Tok Pisin“ bzw. „Pidgin English“ in Papua Neuguinea und „Pijin“ auf den Salomonen.
Der Wortschatz ist nicht besonders umfangreich, darum braucht man einiges Geschick, um verschiedene Sachverhalte auszudrücken, viele Wörter werden mit „blong“ zusammengesetzt, das Wort „long“ wird auch sehr häufig verwendet, um Richtungen, Beziehungen usw. anzugeben. Auf den ersten Blick erscheint es ganz einfach, auch gibt es nicht so komplizierte Verbformen und Konjugationen wie z.B. im Französischen oder Spanischen. Und trotzdem hat es seine Tücken, denn die Satzstruktur ist melanesischen Ursprungs und muss von uns erst verstanden werden. Langsam gesprochen und aufgeschrieben erschließt sich manches von selbst. Man muss es sich manchmal laut vorlesen, denn die Wörter, die aus dem Englischen stammen, werden genauso geschrieben, wie sie ausgesprochen werden und nicht in der gebräuchlichen englischen Orthographie.
Hier ein paar Beispiele: Das Cafe „Nambawan“ bedeutet „Number One“ = Nummer 1
Die öffentliche Bibliothek von Port Vila: „Pablik Laebri blong Port Vila“
Und hier das weltweit bekannteste Weihnachtslied: Stille Nacht, Heilige Nacht. Vom Deutschen ins Englische und vom Englischen in Bislama übersetzt, spricht der Text für sich. „Pikinini“ ist das Wort für Kind, und „Pikinini blong God“ ist Jesus, das Kind Gottes.
Hier die englische Fassung der ersten Strophe:
Silent night, holy night!
All is calm, all is bright
Round yon Virgin, Mother and Child
Holy Infant so tender and mild
Sleep in heavenly peace
Sleep in heavenly peace
Und hier die Fassung in Bislama:
Kwaet naet! Tabu naet
Taem is gud, skae is laet
Raonabout long yangfala pel
Wetem pikinini y blong hem
Pikinini blong God,
Slip long pis ya blong hem.
Aus dem Gesangbuch der Presbyterianischen Kirche „Ol sing blong niu laef“, Buk fo = Buch vier
Ein Band zum Tag des Kindes in Port Vila
Die Bitte um Sauberkeit in der öffentlichen Toilette an der Uferpromenade:
Heute spricht ein Ni-Vanuatu, so nennen sich die Einwohner von Vanuatu, mindestens zwei Sprachen, meistens sogar drei oder vier: nämlich erstens die Sprache seines Dorfes bzw. der Region, dann Bislama und schließlich Englisch oder Französisch, je nachdem ob er oder sie in einer englischen oder französischen Schule war. Beeindruckend!
Das fand bereits Georg Forster vor mehr als zweihundert Jahren, als er auf der „Resolution“ mit Kapitän James Cook unterwegs war und sie auf der Insel Malekula auf Einheimische trafen:
„Hier lernten wir sie als das verständigste und gescheuteste Volk kennen, das wir noch bis jetzt in der Süd-See angetroffen hatten. Sie begriffen unser Zeichen und Gebehrden so schnell und richtig, als ob sie schon wer weiß wie lange mit uns umgegangen wären; und in Zeit von etlichen Minuten lehrten auch sie uns eine Menge Wörter aus ihrer Sprache verstehen. […] Bey ihrer angebohrnen Neigung zum Plaudern, geriethen wir gleich ins Gespräch mit einander und ließen uns in ihrer Sprache Unterricht geben. Sie wunderten sich, daß wir die Wörter so schnell ins Gedächtniß faßten, und schienen eine Weile nachzudenken, wie es zugehen mögte, daß man den Klang der Worte durch Bleystift und Papier ausdrücken könne. So emsig sie einer Seits waren, uns ihre Sprache zu lehren; so neugierig waren sie anderer Seits auch, etwas von der unsrigen zu lernen, und sprachen alles was wir ihnen davon vorsagten, mit bewundrungswürdiger Fertigkeit ganz genau nach. Kaum hatten wir ihnen die Namen unsrer Zahlen vorgesagt, als sie solche sehr schnell an den Fingern wiederholten; kurz: was ihnen an cörperlichen Vorzügen abgieng, wurde durch ihren Scharfsinn reichlich ersetzt.“
(Zitat aus: Georg Forster: Reise um die Welt. Insel Taschenbuch 757. Frankfurt am Main, 1967. S. 683 bzw. S. 688)