26.-31. Juli 2018
Hätte man mich vor zwei Jahren gefragt, wo Vanuatu liegt, hätte ich erst einmal den Schulatlas aus dem Regal holen und nachschauen müssen, ob das eine Insel, ein Land oder eine Ortschaft ist, und schon gar nicht hätte ich die Hauptstadt hersagen können. Aber nun erschließt sich uns nach und nach die Geographie der Südsee, die Entfernungen werden in Seemeilen und zu segelnden Tagen gemessen. In Muktuk-Geschwindigkeit ist Fidschi von Neuseeland 16 Tage weit entfernt, wiederum Vanuatu von Fidschi sieben Tage auseinander: so lange brauchen wir von Savusavu auf Fidschi bis nach Port Vila auf der Insel Efate, Vanuatu. Und ja, das ist die Hauptstadt dieses Inselstaates. Vanuatu umfasst etwas mehr als 80 Inseln, elf größere und sehr viele kleine, zusammen ergeben sie gerade mal 12.000 qm Land, verteilt auf 860.000 qm auf dem Ozean. Auf diesen Inseln leben rund 281.500 Menschen, etwas mehr als in Karlsruhe…
Wir ankern direkt vor dem Zentrum von Port Vila, haben schon unsere gelbe Quarantäne-Flagge gehisst, melden uns per Funk an für die Einklarierungsformalitäten und werden auf zwei, halb drei Uhr nachmittags vertröstet, jetzt sei Mittagspause. Als um halb vier immer noch niemand von den Behörden auftaucht, rufen wir erneut per Funk an. Der Skipper solle doch einfach zum „Customs“-Büro fahren, mit allen Schiffspapieren, die Crew müsse nicht mit. So einfach und so entspannt ist alles hier. Am nächsten Tag gehen wir noch zu „Immigration“, der Visastelle, und erhalten dort einen Stempel im Pass, mit dem wir drei Monate in Vanuatu bleiben dürfen. Noch eine kleine Gebühr bezahlt und somit sind wir offiziell eingereist und können nun die Stadt erkunden.
Wir laufen die Hauptstraße entlang, hier und in den Querstraßen könnte man stundenlang bummeln, Kleidung für jeden Geschmack und Geldbeutel, Kunsthandwerk in der Maison Française, Haushaltsgeräte, Werkzeuge. Dazwischen ein paar Restaurants, Behörden, die Stadtbibliothek. Viele Läden werben mit zollfreiem Einkauf, die damit vor allem die Touristen von den Kreuzfahrtschiffen im Blick haben.
Natürlich werfen wir in jeden dieser Läden einen Blick rein, vor allem in jene, die sich „Hardwarestore“ (Baumarkt) nennen. Es könnte ja etwas Nützliches fürs Boot zu finden sein!
Und auch der große Markt zieht uns magisch an, er ist eine Augenweide! So viel frisches Gemüse und Obst in unglaublichen Mengen, und alles so bunt und hübsch anzuschauen. In der zweiten Halle beim Markt sind Tische und Bänke in Reihen aufgestellt, dazwischen kleine Kochnischen eingebaut, in denen von mittags bis abends gekocht wird. Leckere Gerichte werden angeboten und sind zudem so günstig, dass sich das Kochen auf dem Boot fast nicht lohnt. Gleich am ersten Tag setzt sich eine der Köchinnen zu uns an den Tisch, sie erzählt von den Inseln, von ihrer Familie und will auch von uns genau wissen, was uns hierher gebracht hat.
Zur Begrüßung hier schüttelt man die Hand und stellt sich mit Vornamen vor, und sogleich werden wir gefragt, woher wir kommen. Oh ja, wirklich aus Deutschland! Daraufhin werden wir sofort mit einem strahlenden Lächeln angeschaut, worauf dann sogleich erwähnt wird, dass alle Leute so verrückt nach Fußball sind, und die deutsche Nationalmannschaft eine große Fangemeinde haben soll. Tatsächlich entpuppt sich der Zöllner, der auf unser Boot kommt, um zollfrei eingekauften Wein in den Kartons zu versiegeln, als ein begeisterter Fan. Er hat sowieso Dienstschluss und bleibt noch eine ganze Weile gemütlich bei einer Cola auf der Muktuk, so dass wir uns länger mit ihm unterhalten können. Es gibt sogar richtige Vereine, Fangemeinschaften für die jeweiligen Nationalmannschaften und es fand sogar eine Parade zu Beginn der Spiele statt, wo die Fangruppen mit den Nationalflaggen ihrer Mannschaften durch die Stadt zogen. Allerdings war unser Zöllner sehr traurig, als die deutsche Mannschaft ausgeschieden ist und ging tags darauf nicht in die Arbeit, auch, um sich die Bemerkungen der Arbeitskollegen nicht anhören zu müssen.
Eigentlich könnten wir gleich weiter, aber wir bleiben noch ein paar Tage in Port Vila, denn am Montag, dem 30. Juli, wird der 38. Jahrestag seit der Unabhängigkeitstag gefeiert, mit Reden, Tänzen und einem Feuerwerk am Abend und das würde ich mir sehr gerne anschauen. Früher hießen die Inseln Neue Hebriden und waren von 1906 an unter einer gemeinschaftlichen Verwaltung von Frankreich und Großbritannien, Kondominium genannt. Alles gab es doppelt, Verwaltung, Polizei, Währung, Schulsystem. Die europäischen Einwanderer besaßen 30% des urbaren Landes und wollten noch mehr, um rentable Kokosplantagen und Viehweiden anzulegen. An diesen Expansionen zündete der Funke für die ersten Bestrebungen zur Unabhängigkeit in den 1960er Jahren, denn die Ni-Vanuatus, wie sich die Einwohnen der Inseln nennen, sehen Landbesitz traditionell als einen Schatz, den man für die kommende Generation erhalten und pflegen muss.
Schon am Freitag und Samstag davor ist viel mehr Betrieb als sonst in der Stadt. Jeder will schnell noch was einkaufen, überall sieht man schon Flaggen, an den Autos, in den geflochtenen Haaren der Frauen.
Auf der Hauptstraße stauen sich die Minivans. Ein praktisches und sehr sinnvolles Beförderungssystem zwischen Bus und Taxi angesiedelt: man zahlt einen Einheitspreis an den Fahrer und nennt das Ziel. Kann sein, dass man ein paar Umwege in Kauf nehmen muss, weil erst die anderen Gäste abgeliefert werden müssen. Schade, dass sich so was nicht auch in einer Großstadt wie München durchsetzen kann oder in ländlichen Gebieten in Deutschland, wo die Busse so selten fahren…
Gut beschäftigt vor dem Unabhängigkeitstag sind auch die Frauen in der großen Halle an der Hauptstraße. In vielen kleinen Abteilen sitzen die „mamas“, wie sie genannt werden, jede an einer alten oder sehr alten Singer-Nähmaschine und nähen die schönsten Kleider und Hemden. Die fertigen hängen hoch an den Wänden, daneben Strandtücher in ebenso bunten Farben und Blumenmustern, viele der bedruckten Stoffe sind in Eigenarbeit entstanden, erzählen sie mit einigem Stolz. In dem Labyrinth aus Gängen und Kojen kann man sich schnell verirren und nachdem ich die Halle ein paar Mal abgeklappert habe, schwirrt mir der Kopf von den vielen Farben. Am liebsten würde ich mir auch eines der Kleider zulegen, begnüge mich dieses Mal aber mit einem Strohhut aus Hibiskus.
Am Unabhängigkeitstag selber ist die ganze Stadt auf den Beinen. Oben am Platz der Unabhängigkeit findet die Parade statt, am Rand sind rundherum Stände aufgebaut, die Essen anbieten. Nach dem offiziellen Teil wird viel fotografiert, um die Essensstände bilden sich Trauben von Menschen. Später verteilen sich die Menschen auf die Stadt, Großfamilien sitzen im Park an der Uferpromenade auf Picknickdecken zusammen, Kinder laufen herum, Festtagsstimmung überall!