Big Nambas in Malekula

22. August 2018

Auf der Insel Malekula leben zwei große Stämme, die Big Nambas und die Small Nambas, bzw. Große und Kleine Nambas, benannt nach den Penisköchern, die sie früher trugen. Die Big Nambas waren einst gefürchtete Krieger und schon ihr Ruf allein sorgte dafür, dass sie selten angegriffen wurden. Auch hatten und haben sie viele Rituale und Tänze, die sie auszeichnen. Um diese nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, hat sich der junge Dorf-Chief von Mae vor drei Jahren entschlossen, ein jährliches Festival zu organisieren. Eine größere Gruppe von Jungen und Alten üben das ganze Jahr über und tanzen auch schon mal zwischendurch für zahlende Touristen, aber das ganz große Fest findet nun jährlich in der zweiten Augusthälfte statt und dafür haben wir uns angemeldet. Vier Segler und drei an Land reisende Touristen sind dabei, die Tourismusbeauftragte ebenfalls, und auch das halbe Dorf schaut zu.

Auf einem von hohen Bäumen und Sträuchern umsäumten Platz mitten im Dorf ist alles vorbereitet, große Trommeln, ein paar Bänke mit Blumenschmuck am Rand und eine kleine Hütte. Wir, die Gäste von außerhalb, warten erst einmal unter den Bäumen, werden von einer trommelnden und singenden Gruppe begrüßt und bekommen von den Kindern ein Halsband mit Blümchen umgehängt. Danach werden auf den Platz gebeten. Dort ist alles noch wie vor zweihundert Jahren, kein Stück Stoff oder Schuhwerk oder Werkzeug aus der heutigen Zeit, von unseren Fotoapparaten, Smartphones und unserer Alltagskleidung mal abgesehen. Der junge Chief hält eine kurze Ansprache und erklärt uns, dass wir heute eine Reihe von Tänzen zu sehen bekommen, die zu verschiedenen Anlässen getanzt werden,  und dass zwischendurch ein paar Aktivitäten für uns vorbereitet worden sind, wie z.B. Feuermachen, Flechten und eine Kava-Zeremonie. Außerdem wird für mittags ein traditionelles Essen gekocht. Vor jedem Tanz beschreibt er uns kurz dessen Bedeutung – in seiner einnehmenden freundlichen Art.

Nach dem Willkommenstanz sehen wir Tänze, die für die Vorbereitung der Beschneidung junger Männer aufgeführt werden und solche, die nach der Rückkehr der Männer in die Dorfgemeinschaft getanzt werden. Um in der sozialen Hierarchie des Dorfes aufzusteigen, muss ein Mann ein Fest ausrichten und ein oder mehrere Schweine dafür hergeben, auch dafür gibt es ganz bestimmte Tänze. Einen so genannten Beschneidungstanz für Frauen bekommen wir zu sehen, auch wenn diese Tradition zu unser aller Erleichterung längst nicht mehr praktiziert wird. Kleine Kinder weinen ganz fürchterlich, als nacheinander drei teuflische Gestalten auf den Platz hüpfen, mit einer schwarzen Maske und einem Kostüm aus getrockneten Palmenblättern. Zum Schluss zeigen sie noch den Kriegstanz mit Bogenschießen bevor wir eine Zeremonie vorgeführt bekommen, die nur ganz selten tatsächlich praktiziert wird, nämlich dann wenn ein neuer Chief das Amt von seinem Vater übernimmt. Bei diesem Anlass werden sehr viele Schweine geschlachtet und das ganze Dorf tanzt mit, normalerweise die ganze Nacht hindurch, und dazu wird viel Kava getrunken – auch wir dürfen mittanzen, allerdings nicht ganz so lange und statt der Schweine müssen dieses Mal symbolisch ein paar Kokosnüsse herhalten.

Die Männer der Big Nambas tragen einen breiten Gürtel in dem frische grüne Zweige stecken, vorne haben sie rot gefärbten Pandanusblätter, die einen Penisköcher bedecken. Nur die Männer tragen diese roten Pandanusblätter, die Jungs begnügen sich mit grünen Zweigen. Auf dem Kopf tragen sie einen schönen Federschmuck, eine einzelne Feder oder ein ganzes Büschel von Hahnenfedern. An den Füßen haben sie rasselnde Nuss-Schalen umgebunden, die bei den Tänzen zusätzlich für Rhythmus sorgen. Das Besondere bei den Big Nambas ist wohl auch die unterschiedliche Bemalung der Körper zu den entsprechenden Tänzen, mit Kokosnuss-Öl und Asche eingerieben sehen sie gespenstisch grau aus, mit gelber Farbe (Gelbwurzel oder Lehm?) haben sie auf einmal eine ganz hellere Hautfarbe und beim Kriegstanz sind sie ganz schwarz.

Die Frauen wiederum haben fein geflochtene Matten aus rot gefärbtem Pandanus umgebunden, die verheirateten Frauen tragen zudem noch eine Art Matte aus dem gleichen Material auf dem Kopf, lange Fäden der Matten bedecken die Brüste.

Hier ein paar Impressionen dieses ganz besonderen Tages!


Begrüßung


Chief

 


Laplap, in Bananenblätter gebackener Brei und Fleisch, dazu frische Kokosmilch


Bunte Süßkartoffeln mit Tomaten, auch in Bananenblättern gebacken


Teufel


Verabschiedung!


Zaungäste

Dorfleben

Von der Insel Efate mit der Hauptstadt Port Vila segeln wir in Tagesetappen weiter nördlich, den steten Süd-Ost-Passat nutzend. Wir gönnen uns ein paar Tage Strandurlaub vor dem Inselchen Lelepa, machen einen Zwischenstopp auf der Insel Emae, und erreichen schließlich die Insel Epi. Hier ankern wir in der Revolieu Bucht, seitlich etwas geschützt durch ein breites Riff.

Ganz verdeckt von dichtem Grün und hohen Bäumen liegt das Dorf. Nur am Rauch, der gegen Abend hoch steigt, und an den vielen Kindern, die am Strand entlang laufen, ist zu erkennen, dass dahinter Menschen wohnen.

Am nächsten Vormittag fahren wir mit dem Dinghi an Land, finden einen Fußweg durch das Dickicht und stehen schon nach wenigen Schritten vor der Wasserpumpe des Dorfes. Eine Frau weicht dort Wäsche ein, begrüßt uns ganz herzlich und stellt sich als Lily vor. Sie spricht gut Englisch und fragt uns gleich, ob wir ein paar Süßkartoffeln bräuchten und bittet uns, ihr zu ihrem Haus zu folgen. Wir überqueren einen breiten Weg aus Sand und Kies mit zwei tief eingefahrenen Radspuren, es ist die Hauptstraße der Insel, ein Rundweg, der die einzelnen Ortschaften an der Küste miteinander verbindet.

Kleinere und größere Häuser liegen inmitten von gepflegten Gärten, schmale Wege und manchmal auch ein Zaun aus Blumen und niedrigen Sträuchern trennen die Höfe voneinander. Die meisten Häuser haben Dächer aus Palmenwedel und schön geflochtene Seitenwände, manchmal auch ein Wellblech-Dach und ab und an sieht man ein gemauertes Gebäude. Überall Blumen, rosa und orange blühende Bougainvillea-Sträucher, auch Gemüse und viele Bäume mit Zitrusfrüchten dazwischen. Hühner laufen frei herum, kleine Kinder schauen uns neugierig nach, die Großen sind alle noch in der Schule. Lily besitzt ein Haus zum Kochen und Arbeiten und eines in dem die ganze Familie schläft, daneben ein gemauerter Ofen zum Backen.

An ihrem Haus rankt sich eine Pflanze hoch mit einer Frucht, die aussieht wie eine Mischung aus Zucchini und Bohne. Lily zupft sie für uns ab und erklärt uns, wie man die zubereitet.

Wir gehen mit ihr weiter durch das Dorf, begrüßen ihre Schwiegermutter, eine ehrwürdige weißhaarige Dame, kommen an der Kirche vorbei, ein einfaches Haus mit Strohdach und halb offenen Wänden. Daneben wird die neue Kirche gebaut, aus Betonziegeln, sie ist erst zur Hälfte fertig. Lily führt uns zum Fluss, der neben dem Dorf entlang fließt und weiter unten im Meer mündet, zu einer Stelle, wo Wasserkresse wächst, weil sie weiß, dass auch die Segler diese gerne als frischen Salat zu schätzen wissen. Und ja, sehr gerne dürfen wir uns Trinkwasser in unsere Kanister abfüllen und wie alle anderen im Dorf, im Fluss unsere Wäsche waschen…

Lily ist 36 Jahre alt, hat sechs Kinder, der älteste Sohn  ist schon verheiratet, die etwas jüngere Tochter auch, eines der Kinder, ein 7jähriger Junge ist adoptiert. Und ihr jüngstes Kind ist gerade mal 1 Monat alt! Am Nachmittag bringen wir ein paar Sachen für ihr Baby und bekommen zu den Süßkartoffeln noch einen dicken Bund Frühlingszwiebeln mit. Ihre Tochter ist gerade da, sie hat ein 3 Monate altes Mädchen. Und so sitzen Mutter und Tochter nebeneinander und stillen ihre Babies!

In diesem Dorf entdecken wir ein großes neues Gebäude aus stabilen Betonziegeln mit Dach, davor eine schön angelegte Grünanlage. Es ist ein Schutzhaus für die Bewohner der Ecke: sollte wieder ein Zyklon über die Inseln hinweg fegen, haben sie hier ein festes Dach über dem Kopf mit Behandlungsräumen und Sanitäranlagen dazu. 2016 hatte der Zyklon Pam in Vanuatu so ziemlich alle Häuser zerstört, Bäume umgeknickt und sehr viel Schaden angerichtet.

In diesem Haus haben wir ein Ehepaar kennen gelernt, die beiden teilen sich das Büro: Tousil ist Verwaltungsangestellte für den Bezirk und ihr Mann Basil arbeitet für die Entwicklungshilfe der UNO und andere Hilfsorganisationen, koordiniert den Bau von befestigten Brücken, Straßen, die Aufforstung der Küste, um der Erosion vorzubeugen uvm. Die beiden freuen sich über unseren Besuch und unsere vielen Fragen und können uns sehr viel über Land und Leute erzählen.

Am nächsten Tag wollen wir etwas herumlaufen, wandern bis zum nächsten Dorf, wo es eine Schule gibt und wir ein paar Hefte und Stifte abgeben können. Wir brauchen etwa eine halbe Stunde bis dorthin, für viele Kinder ist das der tägliche Schulweg. Mit Spielen und etwas Trödeln brauchen sie viel länger, erzählen uns ein paar Mütter.

Wir kommen an vereinzelten kleinen Siedlungen vorbei, wo man uns überall fröhlich zu winkt oder neugierig heran kommt, um uns zu begrüßen und zu fragen, woher wir kommen. Dazwischen liegen kleine Gärten mit Taro und Süßkartoffeln, Zitronen-, Orangen-, Mandarinen- und Pampelmusen-Bäumen und eine langgezogene Plantage mit Kokospalmen. Im Prinzip sind alle Selbstversorger und um das Schulgeld aufzubringen, müssen sie Kopra machen, also reife Kokosnüsse spalten, das Fleisch heraustrennen und trocknen. Nur ist der Preis für Kopra im letzten Jahr stark gefallen und viele bangen, ob sie das Schulgeld überhaupt aufbringen können.

In der Schule ist gerade Mittagspause und sofort sind wir von einer ganzen Kinderschar umringt, die kichern und sehr neugierig sind und sich erst kaum trauen, mit uns zu reden. Das legt sich aber schnell und irgendwie schaffen wir es, mit einer Mischung aus Englisch und Bislama und mit Händen und Füssen uns zu verständigen. Und haben viel Spaß dabei!

Am dritten Tag in dieser Bucht sind wir mit Tousil und Basil verabredet. Wir wollen eine unserer alten Bordbatterien der Krankenstation der Insel vermachen und sie organisieren einen Transport dafür. Es ist Freitag, und der Tag, an dem die staatlichen Angestellten alle zwei Wochen ihren Lohn ausgezahlt bekommen und diesen dann gleich für Einkäufe nutzen. Also sind auf der Insel überall kleinere oder größere Marktstände aufgestellt. Auch in unserem Dörfchen in der Bucht sitzen in der Früh schon drei Frauen in dem überdachten Stand und haben auf ihren Matten ihr Gemüse ausgebreitet. Mittags gibt es Lunchpakete zu kaufen und Krapfen und sogar Kaffee aus der Thermoskanne. Bei dieser Gelegenheit lernten wir auch den Dorf-Chef kennen, er war am Vormittag im „Nakamal“, dem traditionellen Versammlungshaus, mit einer Adoptions-Zeremonie beschäftigt.


Nakamal

Geld gibt es in einem Ort eine knappe Stunde mit dem Auto weit weg, in der einzigen Bank der Insel. Dort stellt sich Tousil bei der Bank an und wir schauen schon mal zum Markt nebenan. Hier gibt es alles in großen Gebinden, selbst geflochtene Körbe aus Palmenblättern voller Süßkartoffeln, Orangen oder Pampelmusen, große Stauden mit Kochbananen. Die Leute kaufen ein und beladen die Ladeflächen der Trucks, wir ebenfalls. Dann müssen wir auf Tousil warten, knabbern Erdnüsse und leckere Bananenchips, unterhalten uns mit ihrem Mann und schauen dem Treiben zu. Es dauert, denn von den zwei Bankbeamten darf nur einer Geld auszahlen, es wollen heute aber alle Lehrer und Angestellten ihr Gehalt haben! Auf dem Rückweg halten wir ein paar Mal an, um die Mitfahrer mit ihren Einkäufen abzuladen, dann bei einem Laden, wo gerade in der Früh ein Rind geschlachtet wurde und die Fleischstücke an der Luft hängen. Wir kaufen auch was davon (es schmeckt hervorragend gut, kein Wunder, die Rinder hier laufen frei herum und knabbern wahlweise an frischem Gras oder Kokosnüssen).

Am Ende des Tages sitzen wir noch mit unseren neuen Freunden Tousil und Basil am Strand und schauen der untergehenden Sonne zu und sind einfach nur glücklich und dankbar für all diese schönen Begegnungen.

Lukim yu! Auf Wiedersehen!

Weniger gibt mehr

Wir stellen uns vor: ein dunkelhäutiger Mann wandert durch ein kleines Dorf in Deutschland. Ein Einheimischer werkelt in seinem Garten und spricht ihn lächelnd an. Woher er komme? Oh, aus Melanesien – wie interessant! Von so weit her! Ob er Familie habe? Er selbst habe drei Söhne und zwei Töchter. Da kommen sie auch schon dahergelaufen, etwas scheu dem Fremden gegenüber, aber fröhlich und neugierig. „Hier sind ein paar Möhren und Kartoffeln aus meinem Garten. Die Zwetschgen sind leider noch nicht reif. Du kannst gerne überall herumlaufen und Dir alles anschauen. Das hier ist mein Haus, da drüben wohnen meine Nachbarn. Komm, Sohnemann, pflück‘ unserem Besucher schnell noch ein paar Äpfel! Und meine Tochter zeigt Dir den Weg durchs Dorf.“

Am Marktplatz kommt der Fremde mit ein paar Marktfrauen ins Gespräch. Sie unterhalten sich über das Leben in Deutschland und in Melanesien, über Schulgeld, Familie und Arbeit. Bald bieten ihm die Marktfrauen ein paar Päckchen ihrer Waren an. Was er dafür zahlen solle? „Nein, gar nichts! Du hast uns doch Deine Geschichten geschenkt.“

Ein Märchen? Ja schon, aber man muss nur die handelnden Personen vertauschen, schon wird es Wirklichkeit. Wenn Birgit und ich durch ein neues Dörfchen in Vanuatu gehen, kommen wir fast immer voll beladen heim. Ein paar Grapefruits, Papaya, ein paar Bananen, Kürbisse, was eben im Garten gerade so wächst. Auf dem Markt bekommen wir Tomaten, Bohnen und einen Bund Frühlingszwiebeln geschenkt. Mittlerweile sind wir vorgewarnt und haben immer ein paar Geschenke unsererseits dabei. Ein Tütchen Reis, eine Packung Wäscheklammern, ein abgelegtes T-Shirt – alles wird hier gebraucht und sorgt für Freude.

Wir haben auf unserer Reise ja schon viele sehr freundliche und hilfsbereite Menschen und Länder getroffen, aber Fröhlichkeit und Entgegenkommen der Menschen in Vanuatu sind einfach umwerfend. Schade, dass wir nur fünf Wochen hier verbringen werden. Wir sind uns einig: Vanuatu gehört auf die Liste der Orte, an die wir gerne noch einmal zurückkehren möchten.

Bislama

In Vanuatu werden um die 180 verschiedene Sprachen gesprochen. Selbst von Dorf zu Dorf kann der Unterschied so groß sein, dass man einander nicht versteht, wurde uns versichert. Aus Melanesien haben sich vor etlichen tausend Jahren in mehreren Wellen wagemutige Menschen auf den Weg gemacht und die Inseln besiedelt. Sie brachten bereits unterschiedliche Sprachen mit, im Laufe der Jahrhunderte lebten die Einwohner hier recht abgeschlossen in ihren Dorf- und Stammesstrukturen, was die Entwicklung von unterschiedlichen Sprachen noch mehr befördert.

Es waren die ersten europäischen Segelboote, die sich mit einer einfachen Sprache behalfen, um mit den Einwohnern zu kommunizieren. Später, während der Kolonialisierung der Südsee holten sich die Plantagen- und Minenbesitzer Arbeitskräfte von Papua Neuguinea, den Salomonen und von den Neuen Hebriden (Vanuatu) auf die Inseln und nach Australien, weniger mit Versprechungen als mit Gewalt. Und so entwickelte sich ziemlich schnell eine einfache Verkehrssprache, ein verballhorntes Englisch mit etwas französischem Einschlag. Auch die Missionare verwendeten diese Sprache und übersetzten Bibel und Gesangbücher für die Einheimischen in „Bislama“, wie es in Vanuatu heißt, oder „Tok Pisin“ bzw. „Pidgin English“ in Papua Neuguinea und „Pijin“ auf den Salomonen.

Der Wortschatz ist nicht besonders umfangreich, darum braucht man einiges Geschick, um verschiedene Sachverhalte auszudrücken, viele Wörter werden mit „blong“ zusammengesetzt, das Wort „long“ wird auch sehr häufig verwendet, um Richtungen, Beziehungen usw. anzugeben. Auf den ersten Blick erscheint es ganz einfach, auch gibt es nicht so komplizierte Verbformen und Konjugationen wie z.B. im Französischen oder Spanischen. Und trotzdem hat es seine Tücken, denn die Satzstruktur ist melanesischen Ursprungs und muss von uns erst verstanden werden. Langsam gesprochen und aufgeschrieben erschließt sich manches von selbst. Man muss es sich manchmal laut vorlesen, denn die Wörter, die aus dem Englischen stammen, werden genauso geschrieben, wie sie ausgesprochen werden und nicht in der gebräuchlichen englischen Orthographie.

Hier ein paar Beispiele: Das Cafe „Nambawan“ bedeutet „Number One“ = Nummer 1

Die öffentliche Bibliothek von Port Vila: „Pablik Laebri blong Port Vila“

Und hier das weltweit bekannteste Weihnachtslied: Stille Nacht, Heilige Nacht. Vom Deutschen ins Englische und vom Englischen in Bislama übersetzt, spricht der Text für sich. „Pikinini“ ist das Wort für Kind, und „Pikinini blong God“ ist Jesus, das Kind Gottes.

Hier die englische Fassung der ersten Strophe:

Silent night, holy night!
All is calm, all is bright
Round yon Virgin, Mother and Child
Holy Infant so tender and mild
Sleep in heavenly peace
Sleep in heavenly peace

Und hier die Fassung in Bislama:

Kwaet naet! Tabu naet
Taem is gud, skae is laet
Raonabout long yangfala pel
Wetem pikinini y blong hem
Pikinini blong God,
Slip long pis ya blong hem.

Aus dem Gesangbuch der Presbyterianischen Kirche „Ol sing blong niu laef“, Buk fo = Buch vier

Ein Band zum Tag des Kindes in Port Vila

Die Bitte um Sauberkeit in der öffentlichen Toilette an der Uferpromenade:

Heute spricht ein Ni-Vanuatu, so nennen sich die Einwohner von Vanuatu, mindestens zwei Sprachen, meistens sogar drei oder vier: nämlich erstens die Sprache seines Dorfes bzw. der Region, dann Bislama und schließlich Englisch oder Französisch, je nachdem ob er oder sie in einer englischen oder französischen Schule war. Beeindruckend!

Das fand bereits Georg Forster vor mehr als zweihundert Jahren, als er auf der „Resolution“ mit Kapitän James Cook unterwegs war und sie auf der Insel Malekula auf Einheimische trafen:

„Hier lernten wir sie als das verständigste und gescheuteste Volk kennen, das wir noch bis jetzt in der Süd-See angetroffen hatten. Sie begriffen unser Zeichen und Gebehrden so schnell und richtig, als ob sie schon wer weiß wie lange mit uns umgegangen wären; und in Zeit von etlichen Minuten lehrten auch sie uns eine Menge Wörter aus ihrer Sprache verstehen. […] Bey ihrer angebohrnen Neigung zum Plaudern, geriethen wir gleich ins Gespräch mit einander und ließen uns in ihrer Sprache Unterricht geben. Sie wunderten sich, daß wir die Wörter so schnell ins Gedächtniß faßten, und schienen eine Weile nachzudenken, wie es zugehen mögte, daß man den Klang der Worte durch Bleystift und Papier ausdrücken könne. So emsig sie einer Seits waren, uns ihre Sprache zu lehren; so neugierig waren sie anderer Seits auch, etwas von der unsrigen zu lernen, und sprachen alles was wir ihnen davon vorsagten, mit bewundrungswürdiger Fertigkeit ganz genau nach. Kaum hatten wir ihnen die Namen unsrer Zahlen vorgesagt, als sie solche sehr schnell an den Fingern wiederholten; kurz: was ihnen an cörperlichen Vorzügen abgieng, wurde durch ihren Scharfsinn reichlich ersetzt.“

(Zitat aus: Georg Forster: Reise um die Welt. Insel Taschenbuch 757. Frankfurt am Main, 1967. S. 683 bzw. S. 688)

Schwimmendes Krankenhaus

Nein, es ist nicht das Opernschiff aus Wien. Das legt ja bekanntlich nur am Südpol an (wer es nicht kennen sollte: Heidenreich/Buchholz, „Am Südpol, denkt man, ist es heiß“, unbedingt lesen!). Es ist das Hospitalschiff aus China. Genauer gesagt die „Daishan Dao“ oder auch „Peace Ark“ aus Zhoushan im Osten Chinas, die hier in Port Vila gerade vor Anker liegt.

Es gehört zur Marine der Chinesischen Volksarmee, ist aber in Friedenszeiten auf den Weltmeeren unterwegs, um etwa nach Tsunamis oder Wirbelstürmen Hilfe zu leisten oder eben in Ermangelung von Naturkatastrophen medizinische Versorgung in Gebieten zu ermöglichen, die dies aus eigener Kraft nur unzureichend leisten können.

In Vanuatu war die Peace Arc das letzte Mal 2014, damals wurden in fünf Tagen über 5000 Patienten behandelt. Ärzte gab es genug, aber die zentrale Aufnahme war wohl etwas überfordert. Daher hilft diesmal die kleine Gruppe chinesischer Einwanderer auf Vanuatu mit, die Massen an Behandlungswilligen zu betreuen. Ausgesandte Ärzteteams besuchen zudem die kleineren Nachbarinseln und behandeln dort ambulant. An der Pier in Port Vila stehen jeden Morgen ewig lange Schlangen von Patienten, die mit Beibooten zum großen Hospitalschiff transportiert werden. Bis zum Nachmittag ist die Schlange abgearbeitet, die Konsultationen laufen den ganzen Tag, die OPs werden im Wesentlichen nachts durchgeführt.

Seit zehn Jahren ist die die Peace Ark im humanitären Einsatz. Mit 300 Betten, 8 OP-Sälen, 130-köpfigem medizinischen Personal ist das schwimmende Krankenhaus besser als manche Klinik an Land ausgestattet. Medizintechnik von feinsten, Röntgengeräte, MRT, CT,… alles dabei. Außer Organtransplantationen und Herz-OPs ist alles machbar, allerdings werden einsatzbedingt z.B. keine Maßnahmen durchgeführt, bei denen ein längerer Krankenhausaufenthalt nötig ist. Man muss schließlich weiter. Nach Fiji und Vanuatu stehen noch Papua Neuguinea, Kolumbien, Venezuela, Grenada, Dominikanische Republik und Ecuador auf dem Törnplan.

Ebenso wie das US-amerikanische Hospitalschiff „USNS Mercy“ ist der Einsatz der Peace Ark ein Zwischending aus humanitärer Hilfe, ein wenig Propaganda und subtiler politischer Einflussnahme. So wie die USNS Mercy nur Staaten besucht, die sich nicht gerade allzu heftig gegen die Politik der USA aussprechen, macht auch die derzeitige Mission der Peace Ark feine Unterschiede. Fiji, Vanuatu und PNG werden angelaufen, die ebenfalls auf dem Weg liegenden Solomonen aber nicht, obwohl deren medizinische Infrastruktur noch schlechter als die der Nachbarstaaten ist. Die Solomonen sind eins der weltweit 18 Länder, die Taiwan formell als eigenständigen Staat anerkennen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt…

Vanuatu, Port Vila

26.-31. Juli 2018

Hätte man mich vor zwei Jahren gefragt, wo Vanuatu liegt, hätte ich erst einmal den Schulatlas aus dem Regal holen und nachschauen müssen, ob das eine Insel, ein Land oder eine Ortschaft ist, und schon gar nicht hätte ich die Hauptstadt hersagen können. Aber nun erschließt sich uns nach und nach die Geographie der Südsee, die Entfernungen werden in Seemeilen und zu segelnden Tagen gemessen. In Muktuk-Geschwindigkeit ist Fidschi von Neuseeland 16 Tage weit entfernt, wiederum Vanuatu von Fidschi sieben Tage auseinander: so lange brauchen wir von Savusavu auf Fidschi bis nach Port Vila auf der Insel Efate, Vanuatu. Und ja, das ist die Hauptstadt dieses Inselstaates. Vanuatu umfasst etwas mehr als 80 Inseln, elf größere und sehr viele kleine, zusammen ergeben sie gerade mal 12.000 qm Land, verteilt auf 860.000 qm auf dem Ozean. Auf diesen Inseln leben rund 281.500 Menschen, etwas mehr als in Karlsruhe…

Wir ankern direkt vor dem Zentrum von Port Vila, haben schon unsere gelbe Quarantäne-Flagge gehisst, melden uns per Funk an für die Einklarierungsformalitäten und werden auf zwei, halb drei Uhr nachmittags vertröstet, jetzt sei Mittagspause. Als um halb vier immer noch niemand von den Behörden auftaucht, rufen wir erneut per Funk an. Der Skipper solle doch einfach zum „Customs“-Büro fahren, mit allen Schiffspapieren, die Crew müsse nicht mit. So einfach und so entspannt ist alles hier. Am nächsten Tag gehen wir noch zu „Immigration“, der Visastelle, und erhalten dort einen Stempel im Pass, mit dem wir drei Monate in Vanuatu bleiben dürfen. Noch eine kleine Gebühr bezahlt und somit sind wir offiziell eingereist und können nun die Stadt erkunden.

Wir laufen die Hauptstraße entlang, hier und in den Querstraßen könnte man stundenlang bummeln, Kleidung für jeden Geschmack und Geldbeutel, Kunsthandwerk in der Maison Française, Haushaltsgeräte, Werkzeuge. Dazwischen ein paar Restaurants, Behörden, die Stadtbibliothek. Viele Läden werben mit zollfreiem Einkauf, die damit vor allem die Touristen von den Kreuzfahrtschiffen im Blick haben.

Natürlich werfen wir in jeden dieser Läden einen Blick rein, vor allem in jene, die sich „Hardwarestore“ (Baumarkt) nennen. Es könnte ja etwas Nützliches fürs Boot zu finden sein!

Und auch der große Markt zieht uns magisch an, er ist eine Augenweide! So viel frisches Gemüse und Obst in unglaublichen Mengen, und alles so bunt und hübsch anzuschauen. In der zweiten Halle beim Markt sind Tische und Bänke in Reihen aufgestellt, dazwischen kleine Kochnischen eingebaut, in denen von mittags bis abends gekocht wird. Leckere Gerichte werden angeboten und sind zudem so günstig, dass sich das Kochen auf dem Boot fast nicht lohnt. Gleich am ersten Tag setzt sich eine der Köchinnen zu uns an den Tisch, sie erzählt von den Inseln, von ihrer Familie und will auch von uns genau wissen, was uns hierher gebracht hat.

Zur Begrüßung hier schüttelt man die Hand und stellt sich mit Vornamen vor, und sogleich werden wir gefragt, woher wir kommen. Oh ja, wirklich aus Deutschland! Daraufhin werden wir sofort mit einem strahlenden Lächeln angeschaut, worauf dann sogleich erwähnt wird, dass alle Leute so verrückt nach Fußball sind, und die deutsche Nationalmannschaft eine große Fangemeinde haben soll. Tatsächlich entpuppt sich der Zöllner, der auf unser Boot kommt, um zollfrei eingekauften Wein in den Kartons zu versiegeln, als ein begeisterter Fan. Er hat sowieso Dienstschluss und bleibt noch eine ganze Weile gemütlich bei einer Cola auf der Muktuk, so dass wir uns länger mit ihm unterhalten können. Es gibt sogar richtige Vereine, Fangemeinschaften für die jeweiligen Nationalmannschaften und es fand sogar eine Parade zu Beginn der Spiele statt, wo die Fangruppen mit den Nationalflaggen ihrer Mannschaften durch die Stadt zogen. Allerdings war unser Zöllner sehr traurig, als die deutsche Mannschaft ausgeschieden ist und ging tags darauf nicht in die Arbeit, auch, um sich die Bemerkungen der Arbeitskollegen nicht anhören zu müssen.

Eigentlich könnten wir gleich weiter, aber wir bleiben noch ein paar Tage in Port Vila, denn am Montag, dem 30. Juli, wird der 38. Jahrestag seit der Unabhängigkeitstag gefeiert, mit Reden, Tänzen und einem Feuerwerk am Abend und das würde ich mir sehr gerne anschauen. Früher hießen die Inseln Neue Hebriden und waren von 1906 an unter einer gemeinschaftlichen Verwaltung von Frankreich und Großbritannien, Kondominium genannt. Alles gab es doppelt, Verwaltung, Polizei, Währung, Schulsystem. Die europäischen Einwanderer besaßen 30% des urbaren Landes und wollten noch mehr, um rentable Kokosplantagen und Viehweiden anzulegen. An diesen Expansionen zündete der Funke für die ersten Bestrebungen zur Unabhängigkeit in den 1960er Jahren, denn die Ni-Vanuatus, wie sich die Einwohnen der Inseln nennen, sehen Landbesitz traditionell als einen Schatz, den man  für die kommende Generation erhalten und pflegen muss.

Schon am Freitag und Samstag davor ist viel mehr Betrieb als sonst in der Stadt. Jeder will schnell noch was einkaufen, überall sieht man schon Flaggen, an den Autos, in den geflochtenen Haaren der Frauen.

Auf der Hauptstraße stauen sich die Minivans. Ein praktisches und sehr sinnvolles Beförderungssystem zwischen Bus und Taxi angesiedelt: man zahlt einen Einheitspreis an den Fahrer und nennt das Ziel. Kann sein, dass man ein paar Umwege in Kauf nehmen muss, weil erst die anderen Gäste abgeliefert werden müssen. Schade, dass sich so was nicht auch in einer Großstadt wie München durchsetzen kann oder in ländlichen Gebieten in Deutschland, wo die Busse so selten fahren…

Gut beschäftigt vor dem Unabhängigkeitstag sind auch die Frauen in der großen Halle an der Hauptstraße. In vielen kleinen Abteilen sitzen die „mamas“, wie sie genannt werden, jede an einer alten oder sehr alten Singer-Nähmaschine und nähen die schönsten Kleider und Hemden. Die fertigen hängen hoch an den Wänden, daneben Strandtücher in ebenso bunten Farben und Blumenmustern, viele der bedruckten Stoffe sind in Eigenarbeit entstanden, erzählen sie mit einigem Stolz. In dem Labyrinth aus Gängen und Kojen kann man sich schnell verirren und nachdem ich die Halle ein paar Mal abgeklappert habe, schwirrt mir der Kopf von den vielen Farben. Am liebsten würde ich mir auch eines der Kleider zulegen, begnüge mich dieses Mal aber mit einem Strohhut aus Hibiskus.

Am Unabhängigkeitstag selber ist die ganze Stadt auf den Beinen. Oben am Platz der Unabhängigkeit findet die Parade statt, am Rand sind rundherum Stände aufgebaut, die Essen anbieten. Nach dem offiziellen Teil wird viel fotografiert, um die Essensstände bilden sich Trauben von Menschen. Später verteilen sich die Menschen auf die Stadt, Großfamilien sitzen im Park an der Uferpromenade auf Picknickdecken zusammen, Kinder laufen herum, Festtagsstimmung überall!