Gita

Eigentlich hatten wir das erst nächstes Jahr erwartet. Japan ist berüchtigt dafür, dass es keine Jahreszeit ganz ohne Taifune gibt, nur mehr oder weniger wahrscheinliche Monate. Doch Neuseeland ist ja nicht unbedingt für tropischen Wirbelstürme bekannt.
Aber Pustekuchen. Im letzten Herbst kam bereits ein Überbleibsel eines solchen Zyklons die Ostküste der Südinsel herunter, so dass wir an der Westküste noch den Wind gespürt hatten. Erst vor ein paar Wochen hat uns „Fehi“ hier die Böen um die Ohren gepfiffen (und in Auckland die Marina zerlegt).

Und jetzt „Gita“. Dieser Zyklon ist angeblich der erste, der es geschafft hat, den vierzigsten Breitengrad zu erreichen, ohne seinen Status als tropischer Wirbelsturm der Kategorie 2 zu verlieren. Seit Tagen ist er auf den Wetterkarten zu sehen, seit Tagen verfolgen wir seine vorhergesagte Zugbahn. Mal soll sein Zentrum den Norden der Südinsel treffen, mal den Süden der Nordinsel. Wir hier in den Marlborough Sounds sind genau in der Mitte. Leider sind die Zugbahnen von Wirbelstürmen nicht so genau vorherzusagen. Wenn Gita südlich von uns aufschlägt, bekommen wir Sturm aus Nordwest, wenn er nördlich trifft, bläst es erst einmal aus Südost. Und solange man das nicht weiß, ist es schwer, eine geeignete Ankerbucht auszusuchen.

Zum Glück haben wir in den meisten Ecken hier Mobilfunkempfang und können somit aus dem Internet die neuesten Wetterkarten und Hochrechnungen herunterladen. Die beiden wesentlichen Wettermodelle, das amerikanische GFS und das europäische ECMWF sind sich im Detail nicht einig, aber es zeichnet sich ab, dass das Zentrum des Zyklons wohl genau auf uns zukommt. Das heißt erst Südost, dann Nordwest. Laut dem höher auflösenden ECMWF Modell sollen die Marlborough Sounds allerdings in einer Art Windtasche liegen, zumindest was die erste Hälfte, also den Südost angeht.

Wollen wir’s mal hoffen. Wir suchen uns einen Tag vorher eine Bucht, die sehr gut gegen Nordwest geschützt ist und wenigstens ein wenig Südost-Schutz bietet. Optimalen Schutz aus allen Richtungen gibt es nicht. Wir vertäuen uns mit drei dicken Leinen an einer starken Mooringboje, zurren an Deck alles fest. Nach „Fehi“ haben wir dazugelernt und nehmen auch alle unsere Flaggen herunter. Die neuseeländische Gastlandflagge mit ihren vier Sternen (die das Kreuz des Südens darstellen sollen) war ohnehin schon geflickt (drei Sterne) und hat nach Fehi nochmals Federn, nein: Sterne gelassen (anderthalb Sterne) und muss nun wirklich nicht mehr weiter zerblasen werden. Außerdem haben wir gehört, dass es in Neuseeland ein Gesetz geben soll, das die Benutzung einer beschädigten Nationalflagge unter Strafe stellt. Na ja, von unten gesehen fallen die fehlenden zweieinhalb Sterne eigentlich kaum auf…

Von Dienstag 16 Uhr bis Mittwoch 04 Uhr ist für unser Seegebiet Sturmwarnung ausgesprochen. Über UKW wird seit Montag eine Nachricht der Zivilschutzbehörde verbreitet. Alle Zelt- und Bootsurlauber sollen die Marlborough Sounds verlassen. Wir legen die Ohren an und warten.
Die angekündigten Starkregenfälle beginnen pünktlich in der Nacht davor. Am Dienstagmorgen sind alle unsere Kanister und vier große Eimer randvoll mit schönstem Regenwasser. Und es gießt weiter. Die Wartezeit ist zermürbend. Dienstag 16 Uhr kommt, aber kein Wind. Erst gegen 21 Uhr beginnen die ersten stärkeren Böen, und tatsächlich bleiben wir vom Südost völlig verschont. In der Cook-Strait, keine zwanzig Seemeilen von uns entfernt, bläst es in voller Sturmstärke mit sieben Meter See, und wir liegen in der vorhergesagten Windtasche, und Welle bekommen wir auch keine ab.


In der Nacht weht es dann kräftig aus Nordwest, und viel Schlaf bekommen wir nicht, aber Mooring und Leinen halten, alles bleibt an Deck und am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei. Wir sind mal wieder glimpflich davongekommen.