(23. Januar 2017)
Gegenüber von Russell befindet sich der „Waitangi Treaty Ground“ – Geschichte pur! Hier wurde sie buchstäblich geschrieben: Durch den „Waitangi Treaty“, den Vertrag von Waitangi von 1840 wurde Neuseeland zu einer britischen Kolonie. Aber schön der Reihe nach:
Zehn Jahre zuvor hatte die britische Krone noch wenig Interesse an Neuseeland, dann aber erschien ein französisches Kriegsschiff in der Bay of Islands, es gab kriegerische Konflikte innerhalb der Maori-Stämme, aber auch welche zwischen den Einwanderern, den „Pakehas“, und den Maori, so dass gleichermaßen Maori und Missionare in Großbritannien um Hilfe in einer von Gesetzlosigkeit geprägten Region ansuchten.
James Busby wurde ausgesandt, um britische Präsenz zu zeigen, hatte aber keinerlei rechtliche Befugnisse und auch keinerlei militärische Unterstützung. Er schien allerdings ein guter Vermittler gewesen zu sein, schaltete sich mäßigend in die Konflikte ein und schaffte es sogar, zahlreiche Maori-Häuptlinge der Region um 1935 zu einer gemeinsamen Erklärung der Unabhängigkeit Neuseelands zu bewegen. Auch eine gemeinsame Flagge der vereinigten Maori-Stämme wurde entworfen.
Anfang 1840 erreichte William Hobson als Abgesandter von Königin Victoria Neuseeland und setzte zusammen mit James Busby einen Vertragsentwurf auf, der wenige Tage später einer Versammlung von Maori-Chiefs vorgelegt werden sollte. Die Fassung in englischer Sprache unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von der Fassung in Maori – entweder weil die beiden Übersetzer nur wenig Zeit dafür hatten, oder aber glaubten, einige Formulierungen verändern und abmildern zu müssen, weil sonst die Maori-Chiefs nicht unterschreiben würden. Denn mit diesem Vertrag begaben sie sich nicht nur unter den Schutz von Königin Victoria, sie traten ihre Souveränität weitestgehend an Großbritannien ab. Auch gab und gibt es immer noch eine unterschiedliche Auffassung über Landbesitz. Die Maori glauben, dass Mutter Erde die darauf wohnenden Menschen „in Besitz“ nimmt und nicht umgekehrt. Zudem verwalten und bearbeiten die Maori auch heute noch Grundbesitz gemeinschaftlich als Großfamilie bzw. Stamm.
Am 5. Februar 1840 versammelten sich die Briten, einige Siedler und rund 500 Maori vor dem Haus von James Busby und die Chiefs begannen mit den Verhandlungen. Nach nur einem Tag unterzeichneten bereits die ersten Häuptlinge den Vertrag, allerdings ohne dessen wahre Tragweite zu verstehen, im Vertrauen auf die mündlich zugesicherten Landrechte. Das Vertragsdokument wurde in mehreren Ausfertigungen durch ganz Neuseeland versandt, bis hinunter zur Südinsel, nicht alle, aber doch die Mehrheit der Maori-Chiefs setzten ihre Unterschrift darunter.
In den folgenden Jahrzehnten verstärkte sich die Macht der Pakehas, der Weißen, weitere Erlasse unterstützen und vereinfachten die Möglichkeiten, den Maori Land weit unter Wert abzukaufen, zu enteignen oder sie aus manchmal recht nichtigen Gründen zu vertreiben. Erst weit über hundert Jahre später wurde versucht, das begangene Unrecht wieder gut zu machen, das zum wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Niedergang der Maori geführt hatte. Dem Vertrag sollte wieder seine ursprüngliche Bedeutung zurück geben werden: 1975 wurde ein Tribunal eingerichtet, wo Verstöße gegen den Vertrag von Waitangi vorgetragen werden können.
Außerdem einigte sich 2008 die Regierung Neuseelands mit Vertretern von 20 Stämmen über eine Wiedergutmachung, in Form von Ländereien und Geld, insgesamt rund 500 Millionen NZ$.
Das neue Museum auf dem Treaty Ground, letztes Jahr erst eröffnet, erzählt diese Geschichten ausführlich, von der Besiedlung Neuseelands durch die Maori, die Ankunft der ersten europäischen Segelschiffe, bis in die heutige Zeit: Ausstellungsobjekte klassisch in Vitrinen ausgestellt, Portraits der Protagonisten, die Vertragsdokumente von 1840, Pläne, Fotos, und daneben viele anregende multimediale Präsentationen. Die erklärenden Texte sind in Englisch und Maori.
Ein schönes kleines Museum, mit modernem Ausstellungsdesign und sehr informativ. Es hat uns gut gefallen!
Auch das ganze Gelände ist sehenswert, schöne Wiesen, ein Wald dazu, der aufgeforstet wurde. Der Besucherweg führt an drei reich verzierten Kanus vorbei, eines davon misst 35 m, ist aus drei Kauri-Stämmen gehauen und braucht 80 Ruderer, um bewegt zu werden! Das Haus von James Busby ist schön renoviert worden, man auf der Anhöhe einen herrlichen Blick auf die Bucht, davor steht ein hoher, weithin sichtbarer Fahnenmast mit der Flagge Großbritanniens oben und darunter jene von Neuseeland und den vereinten Maori-Stämmen.
Nur einige Schritte weiter befindet sich ein Begegnungshaus der Maori, Te Whare Runanga, mit schönen Schnitzereien. Hier konnten wir auf dem Platz vor dem Haus eine Vorführung des traditionellen Begrüßungszeremoniells erleben und drinnen ein paar schöne Tänze sehen, alles von einer jungen begeisternden Truppe vorgeführt.
Wir haben viel gelernt an diesem Tag über die junge, wechselvolle Geschichte Neuseelands.
Der 6. Februar ist ein wichtiges Datum der neuseeländischen Geschichte und hat inzwischen den Status eines Nationalfeiertages erreicht. An diesem Tag wird auf dem Treaty Ground gefeiert, ein großes Volksfest für alle, freier Eintritt, die Kanus werden zu Wasser gelassen. Wie schade, dass wir nicht so lange bleiben können…