Ankunft in Akaroa

Nur acht Tage waren wir auf See, aber das Ankommen war wie immer etwas ganz besonderes. Man muss sich das etwa so vorstellen:

Die letzten drei Tage der Reise war der Himmel von tiefziehenden Wolken bestimmt. Immer wieder regnete es richtig, ansonsten nur Niesel. Die Sicht war schlecht, meist unter zwei Meilen, manchmal nur eine halbe. Kalt war’s, zwei bis drei Meter Welle, kräftiger Wind. Wir sehen unsere ersten Albatrosse (die vergleichsweise kleinen Mollymauks). Die letzte Nacht lässt der Wind etwas nach, im Morgengrauen sollte Land in Sicht kommen: die Banks Peninsula.

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Aber erst knapp zwei Meilen vor der Küste tauchen schemenhaft Hügel und Klippen auf, im Dunst noch kaum auszumachen. Mitten in dieses Grau hinein segeln wir, im Vertrauen darauf, das das GPS sich halbwegs sicher ist, wo es reingeht. Eine Gruppe der hier verbreiteten kleinen Hektor-Delfine spielt um das Boot herum.

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Für die sechs Meilen lange Einfahrt in den Akaroa Harbour müssen wir die Maschine anwerfen, denn durch den Düseneffekt bläst es wie der Teufel genau gegenan. Da die Tide einläuft, baut sich eine unangenehme See auf, aber immerhin schiebt uns der Flutstrom in Richtung Ziel. Immer noch alles trüb, die Ufer zwar sichtbar, aber die Hügel oberhalb 50 Metern in den Wolken. Ein würziger Geruch weht vom Land herüber.

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Je weiter wir in den Fjord hineinfahren, desto mehr klart es auf. Die ersten Sonnenstrahlen kommen durch. Birgit entdeckt einen kleinen blauen Pinguin im Wasser. Als wir schließlich bei French Harbour um die Ecke biegen, beruhigt sich die See, der Wind lässt im Schutz der Hügel nach. Auf sechs Meter fällt der Anker, die Bucht ist groß. Etliche kleine Yachten der ortsansässigen Segler liegen hier, aber nur wenig Boote von auswärts.

Man kann unsere Euphorie vielleicht nur schwer nachvollziehen. Als wäre ein Schalter umgelegt. Es schaukelt nicht mehr, wir schälen uns aus Ölzeug und Gummistiefeln, sitzen an Deck und freuen uns am Anblick des Örtchens und der teils besonnten Hügel. „Wir sind angekommen!“ vergewissern wir uns gegenseitig, strahlen uns an. Die Anspannung der letzten Tage fällt von uns ab. Ein bisschen stolz sind wir auch, dass wir uns auf den Weg zur Südinsel gemacht haben, denn die meisten Segler bleiben lieber auf der sonnigen und großteils subtropischen Nordinsel, erkunden den stürmischeren Süden lieber per Mietwagen.

Dass hier besuchende Yachten noch als Gäste betrachtet werden und nicht als Kunden, erleben wir beim ersten Landgang am Nachmittag. Wir laufen zum Akaroa Cruising Club, denn wir haben gelesen, dass es dort Duschen geben soll, die man eventuell benützen kann. „Klar“, erklärt uns dort ein netter älterer Herr, „da hinten sind Duschen, Waschmaschine, Trockner, fühlt Euch wie zuhause“. „Wann hat der Club denn offen?“, frage ich. „Eigentlich nur, wenn wir eine Regatta haben, also Sonntags (es war gerade Sonntag). Ach ja, dann braucht ihr ja einen Schlüssel. Ach, ich gebe Euch einfach den Zahlencode des Eingangs vom Steg aus, ihr kommt ja mit dem Dinghi her.“ Und wie ist das mit dem Bezahlen? „Ja, da gibt es irgendeine Regelung. Weiß ich gerade nicht so genau. Aber jetzt fühlt Euch erst einmal herzlich willkommen, das mit dem Bezahlen werden wir später regeln. Fünf Dollar sind es, glaube ich, pro Woche.“

Eine lange heiße Dusche. Im Paradies. Heute Nacht werden wir elfeinhalb Stunden schlafen. Am nächsten Morgen wachen wir in der Bucht auf. Es schaukelt nicht. Wir sind angekommen. Mal wieder.

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Badekappenpflicht

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So sehen auf 40 Grad Süd also die „guten Wetterfenster“ aus. Aus den vorhergesagten fünf Windstärken wurden erst sechs, dann auch mal sieben. Aus den vorhergesagten zwei Metern Wellenhöhe wurden erst drei, dann dreieinhalb. Aber in der Tat – kein Sturm (der geht erst bei 8 Bft los).

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Dass drei Meter Welle (besonders von hinten) nicht gerade angenehm sind, wissen wir und treue Leser unseres Blogs natürlich schon. Das Boot rollt dann heftig von einer auf die andere Seite. Ein leichtes Wiegen fördert ja den Schlaf, aber ab +/ 30 Grad werden aus den REM-Phasen (rapid eye movement) doch eher RAM-Phasen (rapid arm movement), und vorbei ist’s mit dem Schlaf. Kochen und abspülen arten zu akrobatischen Zirkusnummern aus, aber das ist für uns nichts Neues mehr, und Muktuk hält dieses Wetter allemal spielend aus.

Neu ist aber das viele Wasser unter Deck. Bei diesem Wetter werden alle paar Minuten einige Hektoliter See übers Deck gespült, und normalerweise halten die verschlossenen Luken diesen Angriffen stand. Na gut: den ersten Platscher haben wir selbst zu verantworten. Ich dachte gerade noch „jetzt sollte ich mal das Steckschott am Niedergang einsetzen“, schon kam die erste Ladung ungebeten zu Gast.

Nur leider wurde es auch dann nicht viel besser. Die Persenning über dem Schiebeluk, die wir erst vor drei Jahren in Spanien hatten anfertigen lassen, hat sich in dieser Woche komplett aufgelöst. Ohne diesen Schutz findet das Wasser in Mengen ins Boot. Zwar haben wir schon das Material gekauft, um uns eine neue Persenning zu nähen, nur gemacht haben wir es noch nicht. Böser Fehler. Zeitweise kamen wir mit dem Aufwischen kaum mehr nach. Kaum hatten wir die Pfützen halbwegs beseitigt, Krach, Wusch, kam der nächste Platscher und wir durften von vorne anfangen. Die beiden achteren Doraden hatten wir nicht zugeschraubt, prompt brachten sie sich mit ein paar Tassen voll Wasser in Erinnerung, und die Messebänke waren nass. Das Skylight in der Messe tropft. Ein paar Seitenluken halten unter Druck nicht dicht. Mittelkabine, Bad, Werkstatt, Achterlast: überall kommt es durch. Wie soll das erst bei wirklich schwerem Wetter werden?

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Das erinnert mich an die Geschichte eines Weltumseglers, der nach seiner Heimkehr gefragt wurde, ob er nicht manchmal die Zeit auf See und das unterwegs sein vermisse. Er antwortete: „schon, aber wenn die Sehnsucht zu groß wird, stelle ich mir den Wecker auf vier Uhr morgens, ziehe mich an, setze mich ins Wohnzimmer und schütte mir einen Zehnliter-Eimer kaltes Salzwasser über den Kopf.“

So ähnlich war das bei uns. Nur dass wir die Menge auf mehrere Ein- bis Zweiliterportionen aufgeteilt haben. Und zur Abwechslung auch ein paar Liter auf Kopfkissen, Matratze und Kleider in der Koje verteilt haben, auf Birgits Seite natürlich. Wo das herkommt, wissen wir noch nicht, da werden wir in der nächsten Bucht die Verkleidung von Decke und Wänden schrauben und nachforschen müssen.

Aber wie gesagt: für 40 Grad Süd war das gutes Wetter. Mal schauen, wie schlechtes aussieht. Vorher sollten wir aber noch ein paar Löcher dichtkriegen. Oder Badekappen verteilen.

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Warmduscher

Muktuk hat ja unter Deck keine Dusche. Im Cockpit gibt es einen Schlauch mit Duschkopf, der an das normale Druckwassersystem angeschlossen ist. Das hat zwei Nachteile: Zum einen verbraucht man wertvolles Süßwasser aus den Tanks, mit dem wir sonst ja immer geizen (Vorspülen mit Seewasser, Kartoffeln kochen mit Seewasser, Nudel kochen mit halb/halb, sonst werden sie zu salzig etc.) Zum anderen gibt es nur dann warmes Wasser, wenn der Motor gelaufen ist, denn der Warmwasserbehälter wird aus dem Kühlwasser des Motors beheizt.

Beides zusammen bewirkt, dass wir diese Dusche eigentlich nie nutzen. Unser Badezimmer ist am Achterdeck auf dem Fischbrett, wo wir uns unsere „Kübeldusche“ gönnen: drei Pützen voll Seewasser frisch aus dem Meer über den Kopf gekippt. Bisher ging das auch ganz gut, wenn es auch im Nordatlantik manchmal ein wenig Überwindung kostete.

Aber jetzt wird das Wasser langsam unangenehm. Bei 16 Grad Celsius (das war die letzte Messung) leidet dann doch die Lust auf Körperhygiene. Also habe ich mir eine kleine Konstruktion im Cockpit gebastelt. Eine Fußpumpe zum einhängen, ein Schlauch, der in einen Eimer gesteckt wird, der zweite Schlauch mit einem Duschkopf versehen, und wahlweise sogar eine Halterung am Cockpitdach, so dass man zum Haare waschen beide Hände frei hat. Solange man mit dem Fuß pumpt, läuft die Dusche, sonst nicht. Das spart Wasser.

dusche

halterung

Vor allem aber kann man jetzt einfach mit dem duschen, was man in den Eimer schüttet. Zum Beispiel auf dem Herd warmgemachtes Seewasser. Oder man stellt nach dem Backen einen Topf in den noch warmen Herd und nutzt die Restwärme. Oder, wenn man Regenwasser aufgefangen hat, auch mal mit Süßwasser. Notfalls sogar Eselsmilch, sollte Kleopatra an Bord kommen und das passende Milchpulver dabeihaben.

Ach ja: mit einem Handgriff kann man das ganze System aushängen, in den Eimer packen und hat statt des Badezimmers wieder ein Cockpit.

Bierbrauen

Nach so viel Geschichte und Landeskunde gibt es heute mal wieder eine Folge „Skizzen aus dem Bordleben“. Wenn wir diesen Eintrag ins Netz stellen können, waren wir vermutlich acht Tage auf See, denn wir haben das gute Wetterfenster ausgenutzt und sind von Whangarei in der Nordhälfte der Nordinsel in einem Rutsch bis Akaroa in der Mitte der Südinsel durchgesegelt.

Zwischen den beiden Inseln liegt die für ihre Stürme berüchtigte Cook Strait, und normalerweise muss man lange warten, bis sich eine halbwegs sturmfreie Zeit ergibt, um sie zu passieren. Deswegen war es für uns keine Frage: laufen lassen, wenn es geht. Denn Ende März sollten wir die Südinsel wieder verlassen haben, denn dann ist der Sommer um und im Süden wird es winterlich. Motto „am Südpol, denkt man, ist es heiß…“

Verdammt, das war jetzt doch wieder Landeskunde. Also schnell zum Bierbrauen. Das macht man hier nämlich selber. Zwar kann man auch durchaus trinkbares Bier kaufen, und es gibt eine aktive Szene der „micro breweries“ und „crafts beers“. Aber gekauftes Bier ist deutlich teurer als bei uns und außerdem ist der Neuseeländer sowieso selbstgenügsam und freut sich, wenn er etwas auch selber hinbekommt. Ein bisschen wie Segler. Deshalb gibt es im ganzen Land Geschäfte für Brauereizubehör. Außer Bier sind auch Wein und Spirituosen zum selber brauen im Angebot. An Bier kann man etliche Dutzend Sorten bekommen, helle und dunkle Ales, Stouts, Lager, Pilsner und sogar ein „bavarian wheat“, also bayrisches Hefeweizen. Jeweils eine Dose mit fertig gewürztem Malzextrakt, einer Tüte Dextrose und einem Päckchen Brauereihefe. Kostet umgerechnet gut 20 Euro und reicht für 23 Liter Bier.

Wir haben weder so einen großen Gärbottich noch so viele Flaschen zum Abfüllen, deshalb brauen wir auf dreimal. Den Malzextrakt mit Wasser und Dextrose vermischt in den Bottich (bei uns: Wasserkanister), Gäraufsatz drauf und eine Woche warten. Dann abfüllen, und in jede Flasche einen viertel Teelöffel Zucker für die Flaschengärung zur CO2-Produktion. Flaschen zuschrauben, eine Woche im Warmen lagern, dann mindestens zwei Wochen im Kalten reifen lassen. Dass wir uns dabei eines Verstoßes gegen das deutsche Reinheitsgebot schuldig machen, müsst ihr ja nicht weitererzählen.

Wie es schmeckt? Keine Ahnung, wir sind erst in der Mitte der zwei Wochen Reifezeit. Aber wir werden berichten. Und ja, als vormals Lebensabschnittsbayern haben wir das Hefeweizen genommen.

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Bay of Islands bis Whangarei

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In der Bay of Islands gibt es so viele schöne Ankerbuchten und kleine Inseln, wir könnten wochenlang dort herumfahren und immer noch was Neues entdecken: ordentlich angelegte Wanderwege, wilde Klippen, an denen man die hiesige Variante der Miesmuschel, die grünlich gefärbt ist, bei Niedrigwasser ernten kann. Nicht mehr als 50 Stück pro Person pro Tag, aber das ist eine Menge, die wir sowieso nicht schaffen…
Als wir aus der Bay of Islands raus segeln, ums Cape Brett herum, empfängt uns eine Gruppe von Delfinen, der Große Tümmler. So riesige Delfine haben wir schon lange nicht mehr gesehen und wie ausgelassen sie aus dem Wasser springen. Zwei Tage später kommen sie sogar in die Bucht herein geschwommen und spielen ein paar Stunden lang um die dort ankernden Boote. Es ist eine Freude, ihnen zuzusehen!
Und auch auf dem Weg nach Whangarei, die Küste entlang, gibt es ein paar schöne Ankerbuchten, wir hangeln uns in Tagestörn entlang, bleiben auch mal länger, wo es uns gut gefällt.
Die meisten Inseln und Buchten tragen auch in den Seekarten die Bezeichnungen aus der Maori-Sprache: Moturua und Motukiki Island, Whaiwhapuka Bay, Urupukapuka Island, Whangamumu und Whangaruru Bay, und zuletzt Tutukaka – Pippi Langstrumpf lässt grüßen!

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Cape Brett

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Austernfischer

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Stone Store in Kerikeri

 
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Kerikeri ist eine der größeren Ortschaften in der Bay of Islands, liegt gut geschützt an einem Flusslauf. Bei Niedrigwasser ist die Fahrrinne so eng, dass wir mit der Muktuk lieber in einer hübschen Bucht ankern, und mit dem Dinghi hochfahren. Ausgedehnte Austernbänke ragen heraus, bei Hochwasser werden sie wieder umspült, Ufergrundstücke, mit schönen Häusern und Gärten, und immer mal wieder Segelboote, die an Dalben festgemacht sind.

Nach fast einer Stunde tuckern, kommt endlich das alte Steinhaus in Sicht und wir binden das Dinghi an einem Holzsteg fest. Ab hier kommt man nur noch mit dem Kajak weiter.

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Das Stone Store ist ein beeindruckend massives Gebäude, 1836 erbaut, das nachweislich älteste Gebäude aus Stein in Neuseeland und die meiste Zeit als Warenhaus genutzt. Heute befindet sich ein Museumsladen darin, Geschenkartikel und Produkte wie aus dem Manufactum-Katalog, „es gibt sie noch, die guten Dingen“. Gleich dahinter steht ein einfaches Holzhaus, die erste Missions-Station in Neuseeland, Wohnhaus für den Missionar, 1820 errichtet. Und zwei Schritte weiter steht noch ein hübsches Holzhaus, das „Honey Café“, wohl nach dem Bienenhaus benannt, das früher da stand. Zwischen den Gebäuden ist ein Blumengarten liebevoll angelegt, ein paar Obstbäume und eine Reihe mit Weinreben auf der Flussseite angepflanzt, ein weitläufiger Park schließt sich an. Als wir im November, dem hiesigen Frühling, das erste Mal dort waren, offenbarte sich uns eine Blütenpracht sondergleichen. Ein bisschen fühlt man sich wie aus der Zeit gefallen, so schön und ruhig geht es da zu.

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Wir trinken erst einen Kaffee (erwähnte ich schon, dass in Neuseeland überall hervorragender Kaffee angeboten wird und überall Cafés zu finden sind?), schauen den Enten im Fluss zu und machen uns dann auf eine einstündige Wanderung, immer am Fluss entlang bis zu einem Wasserfall. Nach ein paar hundert Metern schon wieder eine Schautafel mit Informationen: restaurierte Überreste eines Wasserkraftwerks. Ein paar britische Offizierfamilien sollten hier angesiedelt werden, die vorher in Indien stationiert waren. Die Ehefrauen, in Indien an mindestens drei Dienstboten gewöhnt, mussten hier ohne auskommen, da die Maori sich nicht dazu einspannen ließen. Also verlangten sie Elektrizität und bekamen sie auch!

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Es ist ein gemütlicher Wanderweg, schöne Ausblicke auf den kleinen Flusslauf und wie so oft in diesen Wäldern überlegen wir, wie man diesen herrlich würzigen Duft mitnehmen könnte. Ein Klick und im Blog könnte man statt eines Videos oder Fotos einmal schnuppern…

Am späten Nachmittag sind wir wieder zurück, und Musik lockt uns den kleinen Hügel hoch zum „Pear Tree“-Restaurant, draußen stehen ein paar einfache Tische und ein junger Mann spielt auf der Gitarre. Also setzen wir uns hin auf ein Bier und ein Glas Weißwein mit „shoe strings“, Pommes rot-weiß, und genießen die Abendstimmung.

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Waitangi Treaty Ground

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(23. Januar 2017)

Gegenüber von Russell befindet sich der „Waitangi Treaty Ground“ – Geschichte pur! Hier wurde sie buchstäblich geschrieben: Durch den „Waitangi Treaty“, den Vertrag von Waitangi von 1840 wurde Neuseeland zu einer britischen Kolonie. Aber schön der Reihe nach:

Zehn Jahre zuvor hatte die britische Krone noch wenig Interesse an Neuseeland, dann aber erschien ein französisches Kriegsschiff in der Bay of Islands, es gab kriegerische Konflikte innerhalb der Maori-Stämme, aber auch welche zwischen den Einwanderern, den „Pakehas“, und den Maori, so dass gleichermaßen Maori und Missionare in Großbritannien um Hilfe in einer von Gesetzlosigkeit geprägten Region ansuchten.

James Busby wurde ausgesandt, um britische Präsenz zu zeigen, hatte aber keinerlei rechtliche Befugnisse und auch keinerlei militärische Unterstützung. Er schien allerdings ein guter Vermittler gewesen zu sein, schaltete sich mäßigend in die Konflikte ein und schaffte es sogar, zahlreiche Maori-Häuptlinge der Region um 1935 zu einer gemeinsamen Erklärung der Unabhängigkeit Neuseelands zu bewegen. Auch eine gemeinsame Flagge der vereinigten Maori-Stämme wurde entworfen.

Anfang 1840 erreichte William Hobson als Abgesandter von Königin Victoria Neuseeland und setzte zusammen mit James Busby einen Vertragsentwurf auf, der wenige Tage später einer Versammlung von Maori-Chiefs vorgelegt werden sollte. Die Fassung in englischer Sprache unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von der Fassung in Maori – entweder weil die beiden Übersetzer nur wenig Zeit dafür hatten, oder aber glaubten, einige Formulierungen verändern und abmildern zu müssen, weil sonst die Maori-Chiefs nicht unterschreiben würden. Denn mit diesem Vertrag begaben sie sich nicht nur unter den Schutz von Königin Victoria, sie traten ihre Souveränität weitestgehend an Großbritannien ab. Auch gab und gibt es immer noch eine unterschiedliche Auffassung über Landbesitz. Die Maori glauben, dass Mutter Erde die darauf wohnenden Menschen „in Besitz“ nimmt und nicht umgekehrt. Zudem verwalten und bearbeiten die Maori auch heute noch Grundbesitz gemeinschaftlich als Großfamilie bzw. Stamm.

Am 5. Februar 1840 versammelten sich die Briten, einige Siedler und rund 500 Maori vor dem Haus von James Busby und die Chiefs begannen mit den Verhandlungen. Nach nur einem Tag unterzeichneten bereits die ersten Häuptlinge den Vertrag, allerdings ohne dessen wahre Tragweite zu verstehen, im Vertrauen auf die mündlich zugesicherten Landrechte. Das Vertragsdokument wurde in mehreren Ausfertigungen durch ganz Neuseeland versandt, bis hinunter zur Südinsel, nicht alle, aber doch die Mehrheit der Maori-Chiefs setzten ihre Unterschrift darunter.

In den folgenden Jahrzehnten verstärkte sich die Macht der Pakehas, der Weißen, weitere Erlasse unterstützen und vereinfachten die Möglichkeiten, den Maori Land weit unter Wert abzukaufen, zu enteignen oder sie aus manchmal recht nichtigen Gründen zu vertreiben. Erst weit über hundert Jahre später wurde versucht, das begangene Unrecht wieder gut zu machen, das zum wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Niedergang der Maori geführt hatte. Dem Vertrag sollte wieder seine ursprüngliche Bedeutung zurück geben werden: 1975 wurde ein Tribunal eingerichtet, wo Verstöße gegen den Vertrag von Waitangi vorgetragen werden können.

Außerdem einigte sich 2008 die Regierung Neuseelands mit Vertretern von 20 Stämmen über eine Wiedergutmachung, in Form von Ländereien und Geld, insgesamt rund 500 Millionen NZ$.

Das neue Museum auf dem Treaty Ground, letztes Jahr erst eröffnet, erzählt diese Geschichten ausführlich, von der Besiedlung Neuseelands durch die Maori, die Ankunft der ersten europäischen Segelschiffe, bis in die heutige Zeit: Ausstellungsobjekte klassisch in Vitrinen ausgestellt, Portraits der Protagonisten, die Vertragsdokumente von 1840, Pläne, Fotos, und daneben viele anregende multimediale Präsentationen. Die erklärenden Texte sind in Englisch und Maori.

Museum

Ein schönes kleines Museum, mit modernem Ausstellungsdesign und sehr informativ. Es hat uns gut gefallen!

Auch das ganze Gelände ist sehenswert, schöne Wiesen, ein Wald dazu, der aufgeforstet wurde. Der Besucherweg führt an drei reich verzierten Kanus vorbei, eines davon misst 35 m, ist aus drei Kauri-Stämmen gehauen und braucht 80 Ruderer, um bewegt zu werden! Das Haus von James Busby ist schön renoviert worden, man auf der Anhöhe einen herrlichen Blick auf die Bucht, davor steht ein hoher, weithin sichtbarer Fahnenmast mit der Flagge Großbritanniens oben und darunter jene von Neuseeland und den vereinten Maori-Stämmen.

Holzkopf

Nur einige Schritte weiter befindet sich ein Begegnungshaus der Maori, Te Whare Runanga, mit schönen Schnitzereien. Hier konnten wir auf dem Platz vor dem Haus eine Vorführung des traditionellen Begrüßungszeremoniells erleben und drinnen ein paar schöne Tänze sehen, alles von einer jungen begeisternden Truppe vorgeführt.

Maoritanz

Wir haben viel gelernt an diesem Tag über die junge, wechselvolle Geschichte Neuseelands.

Der 6. Februar ist ein wichtiges Datum der neuseeländischen Geschichte und hat inzwischen den Status eines Nationalfeiertages erreicht. An diesem Tag wird auf dem Treaty Ground gefeiert, ein großes Volksfest für alle, freier Eintritt, die Kanus werden zu Wasser gelassen. Wie schade, dass wir nicht so lange bleiben können…

Russel – Kororāreka

(21. Januar 2017)

Die Bay of Islands hat einige historisch bedeutsame Orte für Neuseeland zu bieten. Russell beispielsweise, war der erste Ort, in dem die europäischen Einwanderer sich niederließen. Kororāreka –Wie süß schmeckt der Pinguin – heißt der Ort in der Sprache der Maori. „Korora“ nennen sie den blauen Pinguin der am Eingang der Bay of Island lebt und „reka“ bedeutet süß.

KissenPingu

James Cook berichtete über den sicheren Hafen in dieser Ecke, und so zog es zu Beginn des 19. Jahrhunderts Walfänger, erste Handelsboote, ehemalige Sträflinge aus Australien und Missionare hierher. Es muss zu der Zeit ein ziemlich heißes und gefährliches Pflaster gewesen sein, Kneipen rund um die Uhr geöffnet, eine rechtsfreie Zone.

Heute ist es ein schmuckes kleines Dorf, die Uferpromenade könnte als Filmkulisse eines Badeortes um 1900 durchgehen, viktorianische Holzhäuser mit allerlei Holzschnitzereien verziert, überall Blumen in den Gärten. Tagsüber bringt eine Personenfähre stündlich Touristen von Paihia herüber, die fröhlich entspannt durch den Ort laufen. Das „Duke of Marlborough Hotel“ ist das älteste Neuseelands, hier und in weiteren Lokalen kann man lecker essen gehen oder in einem der netten Cafés einen guten Kaffee trinken, mit Blick aufs Meer.

Polizeistation

In Russell befindet sich auch die älteste Kirche Neuseeland, die Christ Church, ein einfacher heller Holzbau, mit einem kleinen Friedhof drum herum. In der Kirche auf den Holzbänken liegen dicht an dicht Sitzkissen, bestickt mit allerlei Motiven, Segelboote, Pinguine, Blumen… viele schon ausgebleicht und abgewetzt, aber immer noch hübsch anzusehen.

Christchurch

KissenWal

Russell war auch die erste Hauptstadt Neuseelands, wenn auch nur für wenige Jahre, bevor der Gouverneur nach Wellington umzog. Das kleine Museum mit vielen ortskundlichen Exponaten berichtet in einer Sonderausstellung davon. Auch im Museum zu sehen ist ein im Maßstab 1:5 nachgebautes Modell von James Cooks erstem Boot, der „Endeavour“.

Museum
Eingang zum Museumsgarten

Walfett
Kessel, in denen Walfett gekocht wurde

Auf dem Rückweg zum Russel Yacht Club, eine Bucht weiter, wo unser Dinghi liegt, entdecken wir einen „communal garden“, eine freundliche Dame erklärt uns das Prinzip: jeder kann hier Beete anlegen und etwas anpflanzen, pflegen und ernten. Viele der Segler in der Bucht, die den Sommer hier verbringen, würden sich daran beteiligen. Auch wir könnten etwas Unkraut jäten oder gießen und dürften uns dafür etwas mitnehmen. Gesagt, getan, die Pflanzen können Wasser gebrauchen in dieser trockenen Zeit, und anschließend pflücken wir einen Strauß voller Kräuter, Pfefferminze, Rosmarin, Petersilie…

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Hundertwasser in Kawakawa

Öffentliche Toiletten gibt es in Neuseeland überall in jeder noch so kleinen Ortschaft, sauber und in Ordnung gehalten. Eine davon hat sich zu einem Touristenmagnet entwickelt: die Hundertwasser-Toilette in Kawakawa.
Friedensreich Hundertwasser in Neuseeland? Für Fans des Architekten sicher keine Neuigkeit. Hier, auf der Nordinsel, im „Northland“, verbrachte er die letzten 25 Jahre seines Lebens. Und hier gibt es diese kleine architektonische Seltenheit, von ihm konzipiert und gebaut. Gleichzeitig auch sein letztes Projekt, bevor er im Jahr 2000 starb. Hundertwasser, heiß geliebt oder polemisch bekämpft… wie auch immer, die reich verzierten Bauten von Hundertwasser locken überall auf der Welt Touristen an.
In Kawakawa ist eigentlich nicht viel los, es hat nur diese Attraktion zu bieten. Kleine Imbisse und Läden mit Kunsthandwerk, Postkarten und Krimskram haben sich auf den täglichen Ansturm der Touristen eingerichtet, die mit Reisebussen oder eigenem Auto anreisen. Am späten Nachmittag versinkt der Ort dann wieder in seine gewohnte Ruhe…
Sogar ein Flyer wurde eigens für diese Toilette gedruckt! Dieser verweist auch auf die Stiftung, die Hundertwassers Vermächtnis verwalten möchte, u.a. seine ökologischen Ideen, seine Verbundenheit mit der Natur und den Menschen in Kawakawa.
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