Anfang Juli
Ein Gitarrenakkord, dazu die Stimme der Vorsängerin: „Fatueeeh iiihh…“ und die Gemeinde fällt in den Gesang ein. Ein katholischer Gottesdienst zu Ehren des Bischofs, der die Gemeinde besucht, es ist Freitag Nachmittag, die letzten Sonnenstrahlen fallen in die kleine Kirche von Hapatoni.
Blumenschmuck überall, sieben Bankreihen, ein Mittelgang, auf jeder Seite haben 4-5 Erwachsene Platz, dazwischen wuseln Kinder herum, die Kleinsten werden immer mal wieder herum gereicht und geherzt. Weitere Stühle werden hereingebracht, jeder soll sitzen können, so auch wir Segler, die herzlich begrüsst werden. Wir verstehen nicht viel, die Lieder sind auf Marquesianisch, die rezitierten Bibeltexte ebenfalls und der Bischof predigt auf Französisch. Und von Draußen hört man die Brandung, die laut durch die Steine des Ufers rauscht.
Es wird sehr viel gesungen im Gottesdienst, mehrstimmig und stimmsicher, und ganz ohne Gesangbuch, manchmal auch im Wechselgesang der Frauen und Männer. Es klingt so schön und die Freude daran sieht man den meisten deutlich an. Eine ganz eigene familiäre Stimmung herrscht in dem Raum und hinterlässt auch bei uns einen starken Eindruck.
Eigentlich wollten wir nach Fatu Hiva segeln, wo Thor Heyerdahl vor 80 Jahren etliche Monate zusammen mit seiner jungen Frau als Aussteiger gelebt hat und wo er seine ersten Ideen über die Besiedelung Polynesiens entwickelte, die er dann mit der Kon Tiki beweisen wollte. Aber der Wind drehte und wir hätten noch länger kreuzen müssen, so dass wir beschlossen, die nächste Insel Tahuata anzulaufen.
Hier in der Bucht Hanatefau liegen wir nun schon seit fünf Tagen, das Örtchen Hapatoni mit einer Handvoll Häuser befindet sich eine halbe Meile weiter entfernt am anderen Ende der Bucht.
Traditionelles Boot mit Ausleger
Vor uns ein schmaler Streifen Strand, dicke graue Steine an denen sich kleine Wellen brechen, dahinter viele Kokospalmen, ihre Blätter fächern sich wie Feuerwerkskörper auf. Der Wald zieht sich die steilen Hänge hoch, alles ist grün bewachsen, in den unterschiedlichsten Schattierungen, vom tiefen satten bis zum zarten Frühlingsgrün, dazwischen rotbraun gefärbte Spitzen der Mangobäume. Immer mal wieder zieht ein Duft nach feuchter Walderde oder Blumen übers Wasser. Am Vormittag dreht eine Delfin-Familie ihre Runden, auch ein Mantarochen segelt gemächlich an den Booten vorbei, seine vegetarische Kost schaufelnd.
Schon wenige Stunden nachdem wir den Anker in dem klaren Wasser auf Sandboden geworfen hatten, klopft es und wir werden gefragt, ob wir nicht mit an Land kommen wollen, es gibt Wildschwein. Gleich gegenüber unter den Kokospalmen ist ein kleines Häuschen zu sehen, da wohnt Tei’i seit gut zwei Jahren. Er hat vorher acht Jahre lang in Tahiti gearbeitet, nun ist er zurück und macht Kopra, wenn er nicht gerade Segler zu sich einlädt oder mit ihnen abends zum Fischen geht. Die beiden Deutschen vom Nachbarboot und ein Einhand-Segler haben schon Kokosnuss geraspelt, Taro-Wurzeln ausgegraben und als wir mit Kuchen und Kaffee dazu kommen, köcheln schon drei Töpfe auf der offenen aus Stein gemauerten Feuerstelle neben dem Haus: das Wildschwein (verwilderte Hausschweine, die gejagt werden), ein paar Bananen und die Taro-Wurzeln. Ein kleiner Blumen- und Gewürzgarten umgibt das Haus, ein paar Limettenbäume verschwinden im Schatten der Kokospalmen und frisches Wasser kommt aus einer Leitung direkt von den Bergen. Nur Strom fehlt ihm noch, die Leitungen des Dorfes reichen nicht bis hierher, darum freut sich Tei’i über Batterien für die Stirnlampe oder ein paar Leinen für sein Pferd.
Am Tag darauf nimmt er uns mit zu ein paar Obstbäumen, wir decken uns ein mit Guaven und Pommes Cythère-Früchten, bekommen eine der ersten dicken Mangos geschenkt. Im Ort selber schauen wir uns ein paar alte Steinmauern an und rätseln, was es da früher alles gegeben haben mag.
An einem anderen Tag wollen wir zum Hauptort der Insel, nach Vaitahu, zwei Täler weiter, irgendjemand sagte uns, in anderthalb Stunden sei man da. Ein steiniger Feldweg, immer mal wieder ein kleiner Wasserfall, ein Bächlein, das sich den Weg über die Straße sucht, denn es hat die letzten Tage nachts ordentlich geregnet. Am Wegrand viele Bananenstauden, Papayas, Mangobäume, darunter oft das Gras gemäht, Privatbesitz also, so dass wir im Vorübergehen nur eine Handvoll Limetten von den buschigen Bäumen pflücken.
Aber der Weg zieht sich, lange Windungen bergauf, immer weiter und dann geht es steil runter nach Vaitahu. Im dortigen Museum wird gerade alles ausgeräuchert, also werfen wir nach einer Ruhepause einen Blick in die Kirche und machen uns auf den Heimweg. Wie gut, dass am Ortsrand ein Pickup vorbei kommt und uns mit nimmt, sonst wären wir erst bei Dunkelheit wieder daheim auf dem Boot. Wir sitzen auf der Ladefläche, die Beine gegen eine Blechtonne gestemmt (der Benzintank?) und lassen uns ordentlich durchschütteln.
Es fällt mir schwer, mich von dieser schönen Insel und der friedlichen grünen Bucht zu verabschieden. Zum Schluss noch ein Geschenk: die Delfine kommen wieder vorbei, ich nehme Schnorchel und Flossen und hüpfe schnell ins Wasser, suche sie und kann sie auf einmal sehen, wie sie still nach unten schweben, in zwei Gruppen eng beieinander, wie ein gemeinsamer Schwimmkörper, 20 oder 22 zähle ich. Und nach wenigen Augenblicken verschwinden sie…