Vor zwei Tagen waren wir keine 50 Meilen mehr vom Äquator entfernt. Die Windvorhersage lautete SE, so dass wir bequem unserem Generalkurs SW folgen können sollten. Aber zu früh gefreut: Der Wind kam aus SSW, und so mussten wir jede Meile Süd, also Richtung Äquator, hart erkämpfen. Die vielen Stunden Flaute zwischendurch, in denen wir mit schlagenden Segeln auf jede nutzbare Brise warteten, halfen auch nicht gerade. Aber die See ist sehr ruhig, und selbst beim kleinsten Windhauch läuft Muktuk wie auf Schienen – wenn auch Richtung Westen.
Vor einem Tag waren wir keine 32 Meilen mehr vom Äquator entfernt. Wir sind noch im Einflussbereichs des Humboldt-Stroms, eine kalte Strömung, die die Küste Chiles heraufkommt. Das Wasser hat nur 22°C, entsprechend ist es zumindest nachts so kalt im Boot, dass wir uns für unsere Nachtwachen mit langen Hosen, Unterhemden und Socken einpacken. Sollte man am Äquator eigentlich nicht denken, oder? Trotz „Kälte“ und Feuchtigkeit sitze ich in der ersten Nachtwache an Deck und bewundere den Sternenhimmel mit seinen noch unvertrauten Sternbildern – das Kreuz des Südens, den Zentaurus, den Skorpion. Sobald der Mond untergegangen ist und alle Sterne und die Milchstrasse klar herauskommen, ein herrlicher Anblick. Um Mitternacht will ich noch gar nicht schlafen gehen, aber ich weiss wie müde ich in drei Stunden sein werde, wenn meine nächste Wache anfängt. Viel zu tun gibt es in den Wachen freilich nicht, das letzte Schiff haben wir vor etlichen Tagen gesehen.
Heute mittag sind wir keine 13 Meilen mehr vom Äquator entfernt. Wir rechnen, ob wir die Linie heute noch, und wenn dann wann, erreichen. Der Morgen hat uns mit wolkenlosem Himmel empfangen (die letzten Tage war es viel bedeckt), so dass im Augenblick das Deck voller Matratzen, Kopfkissen, Laken und Handtüchern ist, um die Feuchtigkeit ein wenig herauszubekommen. Birgit sortiert wie jeden Tag die verdorbenen Zitrusfrüchte aus, Säcke voll mit Grapefruit, Orangen und Limetten brauchen eben Pflege. Ich erledige ein paar kleinere Reparaturen. Nach schon drei Tagen ohne Fisch an der Angel (wir sind einfach zu langsam) haben wir bald wieder richtig Lust auf Sushi. Aber noch haben wir reichlich Vorräte an Gemüse, Salat, Obst und Fleisch, dass wir nicht auf den Fangerfolg angewiesen sind.
Und schliesslich ist es soweit: um 19:50 Bordzeit (01:50 UTC) springt die Anzeige am GPS von N auf S, wir springen über die Linie und sind im Südpazifik.