Zweiter Teil unserer Serie über die Windsteueranlage. Wie schon im ersten Teil angedeutet, kann diese nur dann das Schiff auf Kurs halten, wenn es schon im Wesentlichen von alleine in die richtige Richtung geradeaus fährt. Das nennt man: der Trimm muss stimmen. Diesen Trimm beeinflusst man zum einen durch ausgeglichene Segelflächen und -stellungen vorn und achtern, aber auf den meisten Kursen ist ein Segelboot luvgierig, d.h. es tendiert dazu, seine Nase in den Wind zu drehen. Um dem entgegen zu wirken, legt man mit dem Hauptruder etwas Gegenruder. Wenn man das Hauptruder in dieser Lage nun fixiert und die Windsteuerung einkuppelt, kann das Spiel beginnen.
Leider gibt es dabei zwei Probleme. Das erste Problem liegt an unserer hydraulischen Steuerung des Hauptruders. Es ist nämlich gar nicht so leicht, das Hauptruder in der gewünschten Stellung zu fixieren, denn jedes hydraulische System hat über die Zeit einen gewissen Schlupf. Der Ruderdruck überträgt sich zwar nicht aufs Steuerrad zurück (man muss es also nicht festbinden), dennoch bewirkt der ständige Druck auf die Ruderflächen auf Dauer ein Nachgeben des Ruders, so dass aus fünf Grad Ruderlage nach einer Stunde vier Grad werden, dann drei usw., bis das Ruder am Ende des Tages gerade steht. Dann ist der Trimm natürlich beim Teufel, und die Windsteueranlage kann nicht mehr arbeiten. Wir haben vorletztes Jahr bei der Atlantik-Überquerung uns damit beholfen, die Pinne festzubinden, denn diese ist (ohne Hydraulik) direkt mechanisch mit dem Ruderblatt verbunden. Das hat funktioniert, aber ideal ist diese Lösung auch nicht, denn wenn man Trimm oder Kurs verändern will (z.B. um einem anderen Schiff auszuweichen), muss man immer erst aufs Achterdeck, um die Pinne loszubinden.
Die zweite Möglichkeit, aus dem Trimm zu laufen ist die Änderung der Windstärke. Die oben erwähnte Luvgierigkeit nimmt nämlich mit der Stärke des Windes zu. Wenn etwa bei 3 Bft eine Ruderlage von 3 Grad ausreicht, um die Luvgierigkeit zu neutralisieren, müssen es bei 5 Bft vielleicht schon 6 Grad sein. Das heißt, in einer Böe schießt das Boot in den Wind, und die Windsteueranlage schafft es nicht länger, den Kurs zu korrigieren. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie oft ich nachts bei der Atlantikpassage geweckt wurde, um beim Aufbrisen des Windes nach achtern zu gehen, die Pinne loszubinden, am Steuerrad den Trimm neu einzustellen, und die Pinne wieder festzubinden. Natürlich hat man beim Nachlassen des Windes das gleiche Spielchen, nur umgekehrt, denn jetzt hat man zu viel Ruderlage, das Boot fällt also zu stark ab.
Wenn das Boot aus dem Trimm läuft (egal ob wegen des hydraulischen Schupfs oder wegen der Änderung der Windstärke), merkt man das immer daran, dass die Windsteuerung auf Anschlag Gegenruder gibt, aber selbst damit nicht gegen die (falsche) Grundtendenz des Bootes ankommt. Und weil mir die Windsteuerung so leid tat, wie sie da mit zusammengebissenen Zähnen und voller Ruderlage vergeblich am Kurs zerrte, kam mir die Idee, mit Hilfe einer kleinen Schaltung und dem Motor des Autopiloten eine Selbst-Trimm Automatik zu bauen. Und zwar so:
Am Schaft des Hilfsruders habe ich zwei berührungslose Schalter (Reed-Kontakte) montiert, die einen elektrischen Kontakt schließen, wenn das Ruder auf der einen oder anderen Seite Vollausschlag hat. Diese Schalter kosten ein paar Cent, sie sind u.a. bei Alarmanlagen verbaut, um das Öffnen von Türen oder Fenstern zu melden.
Diese Information über die Hartruderlage der Windsteuerung wird in einem kleinen programmierbaren Microcontroller verarbeitet. Dieser „Arduino“ ist eine open source Lizenz, d.h. jeder darf ihn nachbauen, und deshalb ist er ein Massenprodukt geworden, das z.B. in der Robotik Anwendung findet. Das Gute daran: auch er kostet nur ein paar Euro. Die Programmlogik geht nun so: wenn innerhalb einer bestimmten Zeitspanne (z.B. 30 Sekunden) das Hilfsruder mehr als die Hälfte der Zeit auf Anschlag ist, ist der Trimm wohl nicht mehr in Ordnung. In diesem Fall wird ein kurzer Steuerimpuls (800 Millisekunden) auf den Motor des Autopiloten gegeben, der damit das Steuerrad um etwa eine halbe Speiche dreht und damit den Trimm in die gewünschte Richtung korrigiert. Kurz vorher wird noch die elektromagnetische Kupplung des Autopilot-Motors eingeschaltet. Und sollte eine halbe Speiche nicht ausreichen, kommt nach weiteren 30 Sekunden der nächste Steuerimpuls.
Da der Arduino nur Lasten von maximal 50 mA schalten kann, der Motor aber 5A zieht, sind Relais dazwischengeschaltet (drei Stück: eines für die Kupplung, eines für Drehen nach links, eines für Drehen nach rechts). Und das war’s auch schon. Die ganze Schaltung verbraucht 25 mA, kann also ohne Probleme durchgehend laufen. Der Motor des Autopiloten wird nur im Fall der Trimm-Korrektur kurz angesprochen, was je nach Bedingungen ein paar Mal pro Tag bis ein paar Mal pro Stunde nötig ist. Alle anderen Komponenten des Autopiloten (Kompass, Computer etc.) bleiben ohnehin dauernd aus. Alle Teile der Schaltung zusammen kosten weniger als 40 Euro.
Ihr glaubt gar nicht, wie schön das ist. Egal, ob die Hydraulik nachlässt, ob der Wind auffrischt, ob man andere Segel setzt, ob man den Kurs ändert (d.h. den Sollwinkel zum Wind): nie muss man sich um den Trimm Gedanken machen, denn der Arduino findet automatisch nach maximal ein paar Minuten die richtige Hauptruderlage, damit die Windsteuerung ihren Job machen kann. Weder Pinne noch Steuerrad müssen fixiert werden, so dass man jederzeit – etwa für ein Ausweichmanöver – von Hand den Kurs ändern kann. Am Ende steuert man einfach wieder grob in die gewünschte Richtung und überlässt die Feinjustierung wieder dem Arduino. Ziemlich cool!
Ach ja: POS 14°00’S 112°26’W, immer noch Richtung Pitcairn