Noch in Antigua, als wir erzählten, dass wir anschließend nach San Pedro zu unserem Spanisch-Kurs weiterreisen werden, ernteten wir ein unverständliches Kopfschütteln, „wieso ausgerechnet dieses Hippie-Dorf? Antigua ist doch so viel schöner, um hier zu lernen?“. Wenn schon am Atitlansee, hieß es weiter, dann doch lieber das Dörfchen San Marcos…
Solcherart gewarnt verließen wir Antigua mit gemischten Gefühlen. Der Atitlansee erwartete uns nachmittags mit Wind und Regen, die Überfahrt von Panajachel mit einer kleinen Personenfähre, einer „loncha“, gestaltete sich nass und sehr schaukelnd.
Der See kann aber auch malerisch schön und ruhig am Morgen da liegen, und ist nicht zu Unrecht eine weitere Touristenattraktion Guatemalas. Auch hier gibt es drei Vulkane, zwischen 3000 und 3500m hoch, Teil des vulkanischen Rückens, der das ganze Land durchzieht, die Hochebene hat ein wunderbar angenehmes Klima, ewiger Frühsommer. Für Alexander von Humboldt war er einer der schönsten, wenn nicht gar der schönste See der Welt. Allerdings wäre er über die heutige Wasserqualität entsetzt, trübe und voller Algen ist er, wenn die Temperaturen steigen…
Um den See herum leben zwei Maya-Gruppen, die Tzutujiles und die Cakchiqueles, deren Sprache so unterschiedlich sein soll, dass sie sich kaum untereinander verständigen können.
Fast alle Maya-Frauen tragen die traditionelle Tracht, ein gerader Rock, an den Seiten eingeschlagen und von einem breiten Gürtel festgehalten. Blusen mit luftigen Ärmeln dazu in vielerlei Farben und Ornamenten und für die kälteren Regionen eine ebenfalls aus festem Stoff gewebte Bluse, der „huipil“. Jeder Ort hat seine eigenen typischen Rock-Muster, aber vor allem die jungen Frauen nehmen es heute nicht mehr so genau und wechseln täglich die Farben und Muster. Traditionell wird an Weihnachten eine neue Tracht gekauft.
Kürzlich fand im Grassimuseum Leipzig eine Ausstellung über Maya-Textilien statt: hier der Ausstellungskatalog online:
An den Vulkanhängen um den Atitlan-See wird ebenfalls Kaffee geerntet, eines der drei großen Anbaugebiete in Guatemala. Großgrundbesitzer und viele Kleinbauern gibt es hier, letztere, die davon mehr schlecht als recht leben müssen. Die Kleinbauern sind von der aktuell grassierenden Krankheit der Kaffeepflanzen am härtesten betroffen, Hilfsprogramme sind zwar angelaufen, um ihnen den Kauf von jungen und resistenten Pflanzen zu ermöglichen. Ob die Hilfe dann tatsächlich bei ihnen ankommt?
Mit den vielen Touristen kommt auch etwas Wohlstand in die Dörfer direkt am See. Wir hören immer wieder: „Uns geht es inzwischen gut hier, wir können drei Mal täglich essen, oben in den Bergen müssen sich viele Familien mit einer Mahlzeit am Tag begnügen“. Der Armutsreport des Landes spricht ja auch von einer erschreckend hohen Anzahl von Kindern mit Mangelernährung. Und auch hier gibt es in fast jeder Familie einen Bruder oder Onkel, der den gefährlichen und beschwerlichen Weg durch Mexiko genommen hat (entweder ein tagelanger Fußmarsch durch die Wüste oder die riskante Fahrt mit der „Bestia“, dem Güterzug). Und wer es über die inzwischen schwer bewachte Grenze in die USA geschafft hat, bleibt dort mindestens vier Jahre als illegaler Immigrant, arbeitet auf dem Bau, auf Feldern oder als Tellerwäscher im Restaurant. Viele Familien nehmen bei den Banken Kredite auf, um die Schlepper und vor allem die „Coyoten“ zu bezahlen, die die Schlupflöcher an der Mauer zur USA kennen. Mit 1,3 Mio Guatemalteken, die zurzeit in den Vereinigten Staaten leben und arbeiten, soll mal wieder ein Höchststand erreicht sein.
San Pedro, wo wir zwei Wochen lang wohnen und lernen, macht tatsächlich auf den ersten Blick im Vergleich zu dem aufgeräumten Antigua einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Aber wir finden auch hier ein paar malerische Ecken. Der Ort zieht sich von der Anlegestelle weit den steilen Berg hoch. Die Straße parallel zum Ufer ist für Hotels, Restaurants und Cafés reserviert. Auffallend viele Rucksacktouristen sind unterwegs, viele junge Menschen aus Israel, in jedem zweiten Lokal wird „humus“ und „falafel“ angeboten, Speisekarten und Hotels werben in hebräischer Schrift. Der Ortskern mit katholischer Kirche, Park, Markt und Sportplatz befindet sich weiter oben und dorthin verirren sich kaum Touristen.
Läuft man die vielen Gassen ab, fallen nicht nur die allgegenwärtigen Wahlplakate ins Auge, überall hängen religiöse Spruchbänder, werben Wandmalereien für eine der vielen evangelikalen Kirchen: „Der Herr ist mein Weg“, „Jesus ist das Licht, mein Wegweiser“, usw.