Kaffee

Während wir in San Pedro in der Spanisch-Schule unsere Sprachkenntnisse aufmöbeln, wird um uns herum im Hochland des Atitlan-Sees einer der besten Kaffees der Welt angebaut. Mengenmäßig rangiert Guatemala zwar nur auf Platz 8 der Weltrangliste, aber erreicht auf der Qualitätsskala der dritten Platz hinter Eritrea und Kenia. Zeit also für ein wenig Bildung in Sachen Kaffee.

Das Wichtigste vorweg: Kaffee wächst gar nicht, wie wir immer gedacht haben, in den Regalen der Supermärkte. Auch die Sträucher, an denen die vielen kleinen bunten Nespresso-Kapseln baumeln, haben wir nicht gefunden.

Als Kaffeetrinker weiss man ja, dass es zwei Sorten Kaffeepflanzen gibt: Arabica und Robusta. Robusta, wie der Name schon sagt, kann man unter vielfältigen klimatischen Bedingungen anbauen, er ist recht anspruchslos, verträgt direkte Sonnenbestrahlung und erlaubt zwei Ernten pro Jahr, was den ohnehin schon höheren Ertrag gegenüber der Sorte Arabica nochmals verdoppelt. Arabica wächt nur im Hochland, muss unter größeren, schattenspendenden Bäumen angebaut werden, ist empfindlicher, trägt weniger. Arabica liefert normalerweise den besseren Kaffee, aber es gibt viele weitere Einflussfaktoren, die sich auf die Qualität des fertigen Gebräus auswirken. Hier in Guatemala wird Arabica angebaut.

Strauch

Ein Kaffeestrauch trägt etwa 6,5 Pfund Beeren, aus denen am Ende gerade mal ein Pfund Kaffee wird. Bei guter Pflege hält er etwa 40 Jahre lang durch. Die Beeren sind anfangs grün (wie jetzt auf unserem Foto), im Dezember werden sie rot und dann sind sie zur Ernte bereit. Das kann man auf einmal machen, also den ganzen Strauch abernten (notfalls sogar maschinell), aber wenn man guten Kaffee will, muss man denselben Strauch sechs bis sieben Mal besuchen und jeweils von Hand nur die gerade reifen „Kaffeekirschen“ pflücken. Eine Plückerin schafft pro Tag etwa 45 Pfund Beeren und erhält dafür acht Euro – und das ist schon ein guter Lohn in einer fair bezahlenden Plantage.

Die weitere Verarbeitung (ohne Fotos, weil eben erst im Dezember): die Kaffeekirschen werden geschält, die äußere Hülle ist nur als Dünger zu gebrauchen. Die eigentlichen Kaffeebohnen sind der Kern dieser Frucht und zunächst noch von einer schleimigen Schicht Fruchtfleisch überzogen. Durch eine ein- bis zweitägige Fermentationsphase wird diese Schicht wasserlöslich gemacht und abgewaschen. Dann werden die Bohnen auf dem Boden ausgebreitet und einige Wochen getrocknet. Hierzulande fällt während dieser Jahreszeit allerdings immer noch ab und zu etwas Regen. Damit die ganze Trocknerei nicht umsonst ist, müssen die Bohnen also rund um die Uhr bewacht und gegebenenfalls schnell mit Plastikplanen zugedeckt werden. Am Ende erhält man die grünen Kaffeebohnen, die man nun lagern kann, bis man daraus Kaffee machen will.

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Ab jetzt durfte ich den Prozess wieder live begleiten. Ein Cafe hier im Ort erledigt nämlich die weitere Verarbeitung für Kleinbauern, die keine eigenen Maschinen haben. Die grünen Bohnen werden vor der Röstung in einer speziellen Maschine geschält (mit Schale behalten sie das Aroma besser, deshalb macht man das erst kurz vorher). Dann werden sie auf ein großes Sieb geschüttet, wo die kleinen, minderwertigeren Bohnen aussortiert werden. Die guten kommen dann portionsweise in die Röstung.

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feuer

„Unsere“ Röstmaschine ist recht klein, sie produziert pro Füllung 50 Pfund Kaffee. Sie besteht aus einer zylindrischen Blechtrommel, die von unten mit Gasflammen erhitzt und mit einem Elektromotor gedreht wird. Vorne gibt es eine kleine Öffnung zur Probenentnahme, damit kann man immer wieder nachsehen, wie weit der Kaffee schon gediehen ist. Als erfahrener Kaffeeröster muss man das aber gar nicht so oft, denn man riecht und hört den Röstfortschritt. Letzteres durch ein leises Ploppen, beim ersten Mal durch entweichenden Wasserdampf, beim zweiten Mal durch verdampfende Öle verursacht. Je nachdem, ob man Brühkaffee oder Espresso herstellen will, beendet man die Röstung kurz vor oder kurz nach dem zweiten Ploppkonzert. Unser Röstmeister wollte seinen Espresso nicht allzu dunkel, damit sich der Geschmack der Bohne voll entfaltet, seine Säure verliert, aber noch keine verbrannt schmeckenden Nuancen entwickelt. Eben gerade recht. Für die Steuerung von Temperatur und Zeit braucht es natürlich viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung.

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Nach ca. 20 Minuten ist es soweit, und unter Qualm und Dampf sowie der Ausbreitung eines herrlichen Geruchs ergiessen sich die dunkelbraunen Bohnen in die Auffangschale, wo sie mit einer Art großem Quirl noch umgerührt werden, bis sie ausgekühlt sind.

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Tja, und am Nachmittag gab es dann eine Tasse von „meiner“ Charge zu trinken. So was feines…

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Piñata

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Das erste Mal hörte ich dieses Wort, als ich gebeten wurde, aus Spanien eine Piñata mitzubringen. Dort, in Galicien, kannte man sie allerdings nicht, ich erntete Kopfschütteln auf meine Fragen und ratlose Gesichter angesichts meiner Erklärungen: es ist, wie sich herausstellte, ein in Lateinamerika verbreiteter Brauch, für einen Kindergeburtstag ein Behältnis voller Süßigkeiten zu füllen, es aufzuhängen, so dass Kinder mit Stöcken oder anderen Behelfsmitteln darauf schlagen können, bis sich ein Regen an Bonbons und Schokolade auf sie ergießt.

Diese Behältnisse sollen einerseits stabil und doch zerbrechlich sein und dazu noch ansprechend bunt, wie es sich für einen Kindergeburtstag gehört.

In Guatemala City stießen wir überraschend gleich auf mehrere Geschäfte, die Piñatas verkauften, ein Laden reihte sich an den anderen, ein ganzes Stadtviertel scheint von der Produktion zu leben.

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Und die Motive, Farben und Formen erst! Prinzessinnen, Ballerinas, Monster, alle Zeichentrickfilme der letzten Jahrzehnte scheinen vertreten zu sein, ja sogar ein „angry bird“ – für Jungs und Mädchen, Große und Kleine…

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Neben den Läden gab es auch die Werkstätten, wo wir einen kurzen Blick auf die Bastler der Piñatas erhaschen konnten. Drahtgestelle wurden in einer atemberaubenden Geschwindigkeit erst mit weißem Papier beklebt, Arme, Beine, Ohren, Gesichter daraus schon mal vorgeformt. Dann erst wird das „chinesische Papier“, dünnes Buntpapier darauf geklebt.

Am liebsten hätte ich für meine Nichten einige eingepackt, aber ob die mitreisenden Fluggäste einverstanden wären, wenn ich zwei Klappen des hart umkämpften Platzes für Rollkoffer und Rucksäcke mit ihnen belegen würde?

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Guatemala – Mittelamerika – Central America

Neue Länder, neue Sprachregelungen: Wenn wir hier mit den US-amerikanischen Seglern sprechen, heißt es immer, wir sind in Zentralamerika. Bei Mittelamerika schauen sie erst einmal irritiert, damit verbinden sie eine Region ihres Landes…

Während der ersten zwei Wochen in der abgeschiedenen Welt des Rio Dulce haben wir ab und zu in Wikipedia über Guatemala gelesen. Dass weniger als die Hälfte der Bevölkerung sich den „indigenas“, Mayas, zuordnen, konnten wir kaum glauben, das Straßenbild zeigte uns etwas anderes. Die wenigen Touristen und Ladinos, Nachfahren der Spanier und deutschen Einwanderer, fallen deutlich auf zwischen den vielen Menschen mit indianischen Gesichtszügen, die Frauen überwiegend in ihrer bunten Tracht.

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Rio Dulce, im Ort Fronteras teilen sich Fußgänger, Straßenstände und Trucks die enge Fahrbahn

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Überall werden Tortillas gebacken!

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Auch in der Hauptstadt, Guatemala City, war es nicht viel anders. Dort hatten wir einen Tag lang Zeit, bevor unser Flug nach Deutschland ging. Im Zentrum versammelten sich an jenem Tag, Ende Mai, an verschiedenen Plätzen Menschen, zogen in Gruppen an uns vorbei, mit Fahnen und Spruchbändern. Dazwischen und vor einigen Gebäuden Polizei mit den obligatorischen Maschinengewehren.

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Polizei vor dem Ministerium in Erwartung der Demonstranten

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Zwei Stunden später…

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Vor einem Ministerium stand eine größere Gruppe, sie skandierten Parolen, andere saßen im Schatten und aßen ihre mitgebrachten Tortillas, kauften von den Straßenhändlern frisches Obst in Tütchen. Zwei junge Männer fielen uns auf, einer davon hatte einen Fotoapparat mit Teleobjektiv in der Hand. Wir sprachen sie an, ob sie wüssten, weshalb heute diese vielen Demonstrationen stattfänden. Jeff, der eine, begann zu erzählen und wir erhielten innerhalb von zwanzig Minuten einen Schnellkurs in Sachen Zeitgeschichte. Zwei, drei Monate zuvor war bekannt geworden, dass etliche Regierungsmitglieder Steuergeldern beiseite geschafft hatten, dieses Mal war das Ausmaß der Selbstbedienung allerdings so groß, dass sogar Minister und der Vizepräsident zurücktraten

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Demoplakat

U.a. fehlt dieses Geld nun im sowieso schon maroden Gesundheitswesen und Land, das den Kleinbauern versprochen worden war, konnte nicht verteilt werden, usw. Also gab es schon seit einiger Zeit immer wieder Demonstrationen, und an diesem Tag waren nicht nur die Angestellten der Krankenhäuser und Polykliniken auf der Straße, aus dem ganzen Land kamen „campesinos“, Bauern zusammen. Jeff, ein us-amerikanischer junger Journalist, der schon seit etlichen Jahren in Guatemala lebt, erzählte uns auch von den Oligarchen, ihrem Reichtum, dem Einfluss der USA, von dem Misstrauen der indigenen Bevölkerung der Polizei und dem Militär gegenüber, der 30jährige Bürgerkrieg endete ja erst 1996. Die Rate der Analphabeten ist erschreckend hoch, viele Mayas sprechen einen der 15 Dialekte, aber nicht alle können Spanisch. Der Schulunterricht auf dem Land sollte zweisprachig sein, das wird kaum gewährleistet.

Obststand

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Die bunte Menge im Hintergrund: ebenfalls Demonstranten

In den Straßen der Hauptstadt war uns vorher schon aufgefallen, dass die Telegrafenmasten auf Augenhöhe mit bunten Ornamenten bemalt waren – auch ein Zeichen des Protestes, so können oder dürfen darauf keine Wahlplakate geklebt werden. Warum tragen so viele Maya-Frauen Tracht, nicht aber die Männer? Teil des Genozids, während des Bürgerkrieges wurden Männer, die z.B. bunt gewirkte Gürtel oder Umhängetaschen trugen, vom Militär als Rebellen klassifiziert, wurden festgenommen, erschossen, galten als Freiwild.

Die Bereitschaft auf die Straße zu gehen und nicht mehr alles hinzunehmen, wertete er als einen beginnenden gesellschaftlichen Wandel, der sich vielleicht schon in den kommenden vorgezogenen Wahlen im September niederschlagen könnten. Er schreibt für eine Internetseite, die sich kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Vorgängen in Lateinamerika auseinandersetzt: upsidedownworld.org.

Es wird also spannend werden in den nächsten Monaten und wir hoffen, noch einiges dazu zu lernen, auf unseren Fahrten durchs Land.

Ziege

Beim Parque Central neben der Demo bietet ein Bauer seine Ziegen zum Verkauf an