Frühmorgens ein paar Stunden vor Landfall, kam eine Brise aus West auf und brachte mit einmal einen eigentümlichen Geruch mit sich: nach frisch gepflügter Erde oder Waldboden im Frühling, leicht modrig. Schon nach fünf Tagen auf See ist es ein intensiver Eindruck, genauso wie sich auch unsere Augen an das viele Grün gewöhnen müssen.
Guatemala hat auf der Atlantikseite einen kleinen Küstenstreifen, wir steuern das Örtchen Livingston an, das an der Mündung des Rio Dulce liegt. Vorher müssen wir noch die berühmte Barre passieren, ein Flach von nur etwas mehr als 2m Tiefe bei Hochwasser, durch das sich manche Segelboote von den Fischern durchziehen lassen müssen. Für uns kein Problem, wir heben einfach den Kiel hoch!
In Livingston kommen, kaum haben wir den Anker fest, vier Beamte an Bord, füllen ein paar Papiere aus und 15min später sind sie wieder weg. Damit ist der Papierkram aber noch nicht fertig und wir nehmen dieses Mal die Dienste eines Agenten in Anspruch, der genau weiß, welche Behörden man ablaufen muss. Dann sind wir offiziell in Guatemala einklariert und können uns hier ein dreiviertel Jahr aufhalten.
Hübsch ist es hier, von der Küste bis zu den Bergen hoch ein sattes Grün, dichter Regenwald, in der Ferne sieht man nur vereinzelt freie Felder ohne Bäume drauf. Am Ufer ab und zu ein paar palmenbedeckte Häuser, längliche Fischerboote daneben festgemacht. Livingston ist ein gemütliches kleines Städtchen, ein paar Backpacker tummeln sich, vereinzelte Touristen, ein buntes Straßenbild, u.a. Nachfahren der Spanier, sowie der ehemaligen Sklaven aus Afrika, überwiegend aber die hier ansässigen Mayas. Viele Frauen sind in Tracht zu sehen, lange geraffte Röcke aus dunkel gewebten Stoffen, über der Bluse ein luftiger durchwirkter Poncho, ärmellos, in unterschiedlichen Farben, manche kunstvoll mit Blumenmustern an Hals und Armausschnitt bestickt. Wir laufen durch die paar Straßen des Ortes, Läden mit Kunsthandwerk und Krimskram wechseln sich ab mit Lokalen, zwei Bäcker, eine Bank, und überall Imbiss-Stände und fliegende Händler, die von allem was anbieten. Und ein winziger Markt mit frischem Obst und Gemüse – nach einem halben Jahr mal wieder Brokkoli! Und auch hier die köstlichen Mangos!
Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg flussaufwärts, das schönste Stück dieser Reise liegt vor uns, eine märchenhaft verwunschene Passage. Noch ein paar Häuser am Ufer mit schönen Gärten, Bootshäuser dazu, dann umfängt und der grüne Urwald. Es riecht wieder so grün und frisch, ab und zu sogar blumig, und wellenartig erfüllt ein lautes Sirren die Luft und verklingt wieder. Auf den Bäumen oder am Boden sitzen unzählige weiße Reiher, Zitronenfalter schwirren vorbei und ein großer brauner Schmetterling, der sich sogar auf dem Wasser neben dem Boot niederlässt, um zu trinken.
Lange Abschnitte der Flusswindungen sind unbewohnt, selten sieht man ein Haus, eine Hütte. Irgendwann taucht ein Restaurant mit Anlegesteg auf, dann ein paar Bungalows für Touristen, gut versteckt inmitten des Grüns.
Ab und zu braust ein Boot vorbei, meistens mit 5-20 Passagieren darin, es gibt hier in der Nähe kaum Straßen. Dann wieder ein kleines Paddelboot, in dem Obst und Gemüse oder Fisch auf grünen Blättern ausgelegt flussabwärts transportiert wird. Und immer mal wieder ein Fischerboot oder zwei, die Mayas angeln oder werfen kunstvoll ein Netz aus.
Jede Flussbiegung bringt etwas Neues. Es könnte noch ewig so weiter gehen, aber nach gut zwei Stunden erreichen wir den „Golfete“, der Fluss breitet sich aus in einem kleinen Binnensee mit Inselchen darin. Hier werfen wir für eine kurze Mittagspause den Anker ins Wasser.
Unsere elektronischen Karten sind nicht mehr so genau, darum muss Andreas auf den Mast steigen, um den weiteren Flussverlauf zu finden. Weiter flussaufwärts mehren sich die Zeichen der Zivilisation, Häuser, überdachte Pavillons für Motorboote, vereinzelte Segelboote liegen am Ufer fest und dann kommt schon die große Brücke in Sicht. Davor und dahinter liegen links und rechts viele Marinas. Wir ankern in einer Ecke und mit dem Dinghi auf Erkundungstour. Die Monkey-Bay-Marina war eine Empfehlung, und sie gefällt uns auch am besten. Jetzt bläst aber die tägliche Nachmittagsbrise und so warten wir lieber die Windstille am nächsten Morgen ab, um Muktuk an den Steg zu legen, immerhin müssen wir rückwärts reinfahren, was kein einfaches Manöver ist.