Ziemlich viel Blau

Inzwischen ist es bedeutend gemütlicher geworden: die See ist ruhig, der Wind schwächer und unser Speed auf 4kn gesunken. Der Bewegungsdrang der Gegenstände an Bord ist jetzt schwächer, selbst die Zwiebeln halten Mittagsschlaf.

Wir könnten die ganze Nacht laut Musik hören, denn Probleme mit Nachbarn haben wir kaum. Aber da ja nachts immer einer von uns zu schlafen versucht, lassen wir das mit der lauten Musik sowieso. Den einzigen Lärm macht das AIS, das uns zuverlässig per Hupe informiert, wenn ein größeres Schiff in unsere Nähe kommt. Das passiert aber nur 2-3 Mal pro Tag, und auch dann mussten wir in letzter Zeit nie unseren Kurs ändern.

Da jetzt die Sonne häufiger scheint, sitzen wir öfter auch an Deck und bewundern die Unmengen an blauem Wasser, die uns umgeben. Heute konnten wir einer Gruppe von Delphinen zuschauen, wie sie die „Rund Muktuk“ Regatta veranstaltet haben. Dabei geht es darum, möglichst dicht vor dem Bug zu passieren, dann unter dem Boot durchzutauchen und möglichst schnell wieder vorne am Bug zu sein. Bei einem Dutzend Wettkämpfern war das erheblich spannender als die Fussball-WM vor unserer Abreise.

Gestern vormittag habe ich die Windsteueranlage in Betrieb genommen und den Autopilot ausmachen können. Während der Autopilot mit Storm läuft und einen konstanten Kurs hält, arbeitet die Windsteueranlage rein mechanisch und sorgt dafür, dass das Boot einen konstanten Winkel zum Wind behält. Das hat Vor- und Nachteile: man weiss immer erst hinterher, wohin man gefahren ist, denn wenn der Wind dreht, dreht sich der Kurs mit. Aber was sind auf Langstrecke schon 10-15 Grad hin oder her? Der Vorteil ist, dass man praktisch nichts an der Segelstellung machen muss, die passt ja immer automatisch zur Windrichtung. Und Strom spart die Windsteuerung sowieso. Wir laufen jedenfalls jetzt seither ohne Autopilot.

Die Angelrolle habe ich heute auch repariert, und während gestern höchstens ein stark suizidal veranlagter Fisch an den Haken hätte gehen können, gibt es seit heute keine Ausrede vor dem Anbiss mehr. Ich hoffe viele Fische lesen unseren Blog.

Wie sie uns finden? Pos 36°44N 014°12W COG 220 SOG 4,6kn

sture Zwiebeln

Bordalltag auf der Überfahrt. Drei Stunden schlafen, drei Stunden wach in der Nacht, tagsüber Zeit für die Verrichtungen das Alltags. Das Schaukeln des Bootes bei moderaten 2-3 Metern Atlantikwelle macht letztere zu kleinen Geschicklichkeitsübungen, schliesslich kann man keinen Schraubenzieher, keinen Suppenteller und keine Zahnpastatube irgenwo hinlegen in der landüblichen Erwartung, diesen Gegensatnd drei Sekunden später noch an der selben Stelle vorzufinden.

Zu den unerwarteten nautischen Gefahren gehörte heute Mittag der Zwiebelschlag. Wie von nahezu allem Essbaren haben wir auch von Zwiebeln ziemlich viel an Bord, denn wer weiss ob uns nicht eine monatelange Flaute heimsuchen könnte, und wenn dann alle von Birgit eingemachten Gläser mit Gulasch, Zwiebelschnitzeln, Sugo und Rouladen aufgegessen sind, werden ein paar Kilo Zwiebeln sicher nicht reichen. Und zu denen, die wir selbst gekauft hatten, bekamen wir noch etliche dazugeschenkt von der Frau unseres Schreinermeisters.

Weil diese Zwiebeln noch recht frisch sind und luftig gelagert sein wollen, damit sie nicht schimmeln, haben wir sie in ein Netz gelegt, das über dem Küchengang gespannt ist. Das ist nicht ganz so praktisch wie es klingt, denn wenn man eine Zwiebel herauszieht, rieseln von ungefähr zweihundert anderen Teile ihrer Schale zu Boden.

Na ja, jedenfalls kam es wie es kommen musste: ich hatte gerade das Geschirr abgespült und auf der Küchenplatte gestapelt (natürlich kunstvoll mit Leisten und feuchten Lappen gegen Wanderschaft gesichert), als eine etwas größere Welle dem Boot einen kleinen Extra-Schubs gab und damit den ersten Zopf Zwiebeln aus dem Netz beförderte. D.h. eigentlich bewegte sich nicht die Zwiebel, diese bestand nur auf ihrem angestammten Recht, träge am selben Ort wie zuvor bleiben zu dürfen. Es war genau genommen Muktuk, die um die Zwiebel herumhüpfte. Aber der Effekt war derselbe: nach dem Fall des ersten Zopfes kam der Rest des Netzes aus dem Gleichgewicht und es ergoss sich ein Strom von Zwiebelzöpfen, Einzelzwiebeln, Knoblauchknollen und verstreuten Paprikas, Zucchinis und Kräutern über meinen Kopf, auf den Boden und – besonders gemein – auf das frisch abgewaschene Geschirr. Also geflucht, Netz anders abgespannt, Gemüse zurückgestaut, Boden gekehrt und nochmal abgewaschen… Bordalltag eben.

Ansonsten ist alles gut: wir kommen mit Etmalen von 140 Seemeilen Richtung Madeira voran, haben prächtigen Wind zwischen 4 und 6 Bft aus der besten aller Richtungen und müssen uns geradezu bemühen, mit Reffs die Fahrt unter sieben Knoten zu halten, damit der Ruderdruck nicht zu groß und die Bewegungen des Boots nicht zu heftig werden – Luxusprobleme auf einem Segelboot.

Leinen los

Fast ein Jahr hat es gedauert, und ein paar Mal war es schwer gewesen, die Zuversicht zu behalten: aber es sieht wirklich so aus, als hätte Muktuk ihre Metamorphose von der Baustellenraupe zum seetüchtigen Lebensraum-Schmetterling abgeschlossen. Die Arbeitslisten sind im Wesentlichen abgearbeitet, einzig die Jungs von der Werft müssen in den nächsten zwei Tagen noch einmal die Plexiglasscheiben der Luken neu einkleben, denn das Dichtmittel ihrer ersten Wahl war ungeeignet und haftet nicht gut am Plexiglas. Gut dass es noch rechtzeitig bemerkt wurde.

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Den Proviant-Großeinkauf haben wir bereits erledigt: drei Einkaufswägen voll, und da der Supermarkt direkt am Strand liegt, konnten wir den Heimtransport zünftig per Beiboot erledigen und die Sachen direkt bis zum Boot fahren. Fehlen nur noch die frischen Sachen vom Markt und die Lieferung aus der Apotheke für die medizinische Ausrüstung, dann sind wir eigentlich bereit zum Ablegen.

proviant

Nach so langer Zeit in Galicien fällt das Abschiednehmen schon schwer. So viele schöne Erlebnisse, alte und neue Freunde, eine zauberhafte Landschaft – das Fernweh bekommt ernsthafte Konkurrenz vom Abschiedsschmerz. Ich fürchte, an diese Situation müssen wir uns in den nächsten Jahren gewöhnen.

Vorige Woche waren wir beim Chef unserer Schreiner zu einem Grillabend eingeladen, und am Ende (so gegen halb vier) wurde noch der Brauch der Queimada zelebriert: eine Art galicischer Feuerzangenbowle, aber mystisch angereichert. Während der brennende Schnaps mit dem Schöpflöffel gerührt und die Flammen damit immer neu angefacht werden, wird mit erhobener Stimme der Conxuro deklamiert – eine lange Beschwörungsformel, die die bösen Geister von den Anwesenden fernhalten und die Geister der abwesenden Freunde an der Feier teilhaben lassen soll. Wen’s interessiert: es gibt sogar einen Wiki Artikel zur Queimada, inklusiver galicischem Text und Übersetzung des Conxuro. Wir waren jedenfalls schwer beeindruckt.

Die Vorbereitungen für die Reise sollten also diese Woche noch abgeschlossen sein. Im Hafen liegen wir schon aussen am Besuchersteg (da ist das An- und Ablegen einfacher). Beim nächsten günstigen Wind heisst es dann „Leinen los“. Oder unsere Freunde schneiden uns die Leinen durch, damit wir nach so langer Zeit auch wirklich loskommen.

Blumenteppich

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Am darauffolgenden Sonntag wurde in unserem Örtchen wieder ein Fest gefeiert:

Das Besondere daran dieses Mal, in zwei Gassen der Altstadt werden Ornamente ausgelegt auf dem Boden. Einige hundert Meter lang zieht der Teppich durch die Straßen. Er besteht aus bunt gefärbtem grobem Salz, Blumenblüten, die braunen Kringel am Rand sind aus Kaffeesatz, der das Jahr über aufgehoben und eingesammelt wird, und das grüne Füllmaterial dazwischen sind Mimosenblätter. In einer offenen Garage sitzen viele Frauen und zupfen immer noch an Blüten- und Mimosenzweigen, andere, überwiegend Frauen, knien auf der Straße und legen die Muster aus. Wir fragen, bewundern ihre Arbeit, sie erzählen uns, dass jede der beiden Straßen eine Art Verein haben, der nun bald in sein 80. Jahr geht, sie beginnen schon eine Woche vorher mit dem Zupfen der grünen Blätter, dem Einsammeln der Blumen.

Sonntagmorgen ab 8 h werden die Muster gelegt, mittags gegen 13h waren sie schon fast fertig. Das Salz passt zur Gegend hier, mit den vielen Fischkonservenfabriken, dem gesalzenen Fisch, früher gab es mehr Blumen, sagt eine ältere Dame, heute nimmt man überwiegend Salz, das geht schneller, es gibt auch nicht mehr so viele Helferinnen, die sich zwei Tage davor ans Blumenzupfen machen. Mangels ausreichender Helferinnen hat vor einigen Jahren die dritte Straße aufgegeben, es gibt nurmehr zwei Straßen, die diese aufwendige Arbeit leisten.

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Die Muster werden mit Hilfe einer großen Schablone gelegt, am Anfang und Ende des Musterteppichs gibt es dann richtige Bilder, Jesus und ein Kreuz dazu, oder Maria mit dem Jesuskind, oder gar zwei Schwäne mit einem Herz darin.

Und alle hoffen, dass der Wind nicht zu stark weht und die Blumen weg pustet, dass es nicht zu regnen beginnt, so wie die beiden letzten Jahre, wo ein Wolkenbruch mit einem Mal alles weg schwemmte. Viele Familien gehen vorbei, hübsch angezogen, die Mädchen vor allem in ihren schicken Sonntagskleidchen, Festtagsstimmung. Abends dann beginnt die Prozession auf dem Teppich – zu Ehren aller Ehepaare, die seit 25 Jahren verheiratet sind. Die gehen in der Prozession mit und dieses Mal hat die Sonne sich den ganzen Tag durchgesetzt.

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